Paavo Järvi entfesselt Brahms' 2. Sinfonie
rp-online.de
2.10.2017
Wolfram Goertz
Klassik Es zählt zu den beruhigenden Faktoren des Musiklebens, dass wir den Meisterwerken niemals entkommen werden. Allein die unstillbare Nachfrage nach dem sinfonischen Panorama zwischen Mozarts "Jupiter" und Mahlers Neunter zeigt, dass wir vor allem das lieben und begehren, was wir kennen. Für viele ist das innerliche Mitsummen einer Beethoven-Sinfonie ein Glücksakt, der als spirituelle Erfahrung nur schwer zu toppen ist.
Auch die Sinfonie Nr. 2 D-Dur von Johannes Brahms zählt zu den ewigen Brummern, die durch unsere Philharmonien und Tonhallen fliegen. Die Zweite liefert alles, was wir von Brahms erwarten: herbstliche Melancholie, das wehmutsvolle Tuten der Hörner, die Schmissigkeit der Streicher und der Trompeten, einprägsame Melodien, großartige Steigerungen und dieses spezifische Element der "entwickelnden Variation", die Schönberg als wesenhaft für Brahms' Sinfonik erachtete.
Und der Schluss ist an Rassigkeit und Virtuosität kaum zu überbieten. Selbstverständlich ist der Markt mit vielen guten Aufnahmen gesättigt. Man kann sich an den großartigen George Szell halten, an den unschlagbaren Günter Wand, an den Entdecker John Eliot Gardiner. Karajan war immer ein sehr, sehr guter Brahms-Interpret. Bernstein putschte sich an Brahms auf und goss all sein Herzblut hinein (das war nicht wenig).
Toscanini vereiste ihn, um ihn herrlich wieder auzutauen. Norrington legte ihn mitsamt den Strukturen frei. Jetzt kommt Paavo Järvi und erzählt mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen die Geschichte dieses Stückes als die einer Kammermusik-Komposition, deren Schichten sozusagen nebenbei eine Sinfonie ergeben. Järvi und seine Musiker enhüllen (auf dieser RCA-CD) viele Details, aber sie sind keine Präparatoren, die ihre Funde für die Nachwelt in die Vitrine stellen.
Dieser Brahms ist lebendig, hellwach, kein Altmeister, sondern ein Feuerkopf, der zugleich das Prinzip Beethoven erweiterte und mit neuem Leben erfüllte.
2.10.2017
Wolfram Goertz
Klassik Es zählt zu den beruhigenden Faktoren des Musiklebens, dass wir den Meisterwerken niemals entkommen werden. Allein die unstillbare Nachfrage nach dem sinfonischen Panorama zwischen Mozarts "Jupiter" und Mahlers Neunter zeigt, dass wir vor allem das lieben und begehren, was wir kennen. Für viele ist das innerliche Mitsummen einer Beethoven-Sinfonie ein Glücksakt, der als spirituelle Erfahrung nur schwer zu toppen ist.
Auch die Sinfonie Nr. 2 D-Dur von Johannes Brahms zählt zu den ewigen Brummern, die durch unsere Philharmonien und Tonhallen fliegen. Die Zweite liefert alles, was wir von Brahms erwarten: herbstliche Melancholie, das wehmutsvolle Tuten der Hörner, die Schmissigkeit der Streicher und der Trompeten, einprägsame Melodien, großartige Steigerungen und dieses spezifische Element der "entwickelnden Variation", die Schönberg als wesenhaft für Brahms' Sinfonik erachtete.
Und der Schluss ist an Rassigkeit und Virtuosität kaum zu überbieten. Selbstverständlich ist der Markt mit vielen guten Aufnahmen gesättigt. Man kann sich an den großartigen George Szell halten, an den unschlagbaren Günter Wand, an den Entdecker John Eliot Gardiner. Karajan war immer ein sehr, sehr guter Brahms-Interpret. Bernstein putschte sich an Brahms auf und goss all sein Herzblut hinein (das war nicht wenig).
Toscanini vereiste ihn, um ihn herrlich wieder auzutauen. Norrington legte ihn mitsamt den Strukturen frei. Jetzt kommt Paavo Järvi und erzählt mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen die Geschichte dieses Stückes als die einer Kammermusik-Komposition, deren Schichten sozusagen nebenbei eine Sinfonie ergeben. Järvi und seine Musiker enhüllen (auf dieser RCA-CD) viele Details, aber sie sind keine Präparatoren, die ihre Funde für die Nachwelt in die Vitrine stellen.
Dieser Brahms ist lebendig, hellwach, kein Altmeister, sondern ein Feuerkopf, der zugleich das Prinzip Beethoven erweiterte und mit neuem Leben erfüllte.
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