Schwächen fantastisch ausgeglichen

Helmut Peters

Hamburger Abendblatt

12.04.2024

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen interpretierte Schubert und Brahms


Hamburg. Wenn Paavo Järvi Sinfonien der Wiener Klassik dirigiert, entwickeln diese

Werke eine Energie, von der vermutlich selbst ihre Komponisten vor 200 Jahren nicht zu träumen gewagt hätten. Das hat er mit der Deutschen Kammerphilharmonie bereits bei seinem Beethoven-Projekt, aber auch bei vielen selten gespielten Haydn-Sinfonien unter Beweis gestellt –zuletzt am Mittwoch bei den ersten beiden Sinfoniendes beiihrerEntstehung erst 17- jährigen Franz Schubert in der Elbphilharmonie.


Die Streicher schossen im Allegro vivace mit rasenden Läufen davon Auch wenn diese Frühwerke, wie Johannes Brahms, der diese Werke mal als Herausgeberfür den Verlag Breitkopf & Härtel zu betreuen hatte und ihre Schlichtheit beklagte, noch nicht ausgereift waren, werden manche ihrer Schwächen durchJärvis fantastische Interpretation ausgeglichen. Die langsame Einleitung der Sinfonie Nr. 2 D 125 ließ er mit einem kraftvollen Auftakt beginnen, aus dem sich einheller Triller in der Flöte löste, der zu einem wundervoll zart gespielten lyrischen Abschnitt überleitete. Doch das währte auch nur kurz, denn gleich schossen die Streicher im Allegro vivace mit rasenden Läufen davon. Wenn Järvi die nervöse Unruhe dann auch noch in ein extremes Pianissimo zurückdrängte, nur um die Wirkung eines straff gespannten Neuaufbaus zu steigern, war man von den Kontrasten geradezu verblüfft. Toll war es auch, wie die Kammerphilharmonie imMittelteil des dritten Satzes von Schuberts Erster einem Fagott-Solo die Bühne bereitete und am Ende dieses Parts so stark verlangsamte, dass die Rückkehr zum schwungvollen Allegro einen fast aufschrecken ließ.

Nicht minder großartig klang das Violinkonzert D-Dur op. 77 von Brahms, für das die Geigerin Veronika Eberle als Vertreterin der ursprünglich vorgesehenen Nicola Benedetti, die ihr Kind erwartet, eingesprungen war. Mit der schlanken Besetzung der Kammerphilharmonie verlor das sonst so markig und massiv wirkende sinfonische Werk seine ganze Schwere, und Eberle konnte sämtliche Nuancen ihres komplexen Violinparts bravourös freilegen.




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