Frankfurt concerts: Paavo Jarvi and Leonidas Kavakos




Brettspiele nach lässigen Regelwerken
February, 2008


VON HANS-JÜRGEN LINKE
Die Orchestermusiker müssen auf der Bühne ungewohnte Plätze aufsuchen. Zum Beispiel sitzen Kontrabassisten in je zwei Vierergruppen links und rechts außen, bilden eine Klammer um die Holzbläser und so fort, man muss gar nicht ins Detail gehen, nur so viel: Jörg Widmann hat sich für seine Komposition "Antiphon" - eine Auftragskomposition des Hessischen Rundfunks - einen eigenen Klangraum aus Musikergruppen arrangiert, und Dirigent Paavo Järvi muss von seinen Gewohnheiten beim Einsatzgeben Abstand gewinnen. Dem Titel entspricht nicht nur die vielchörige Anordnung der Musiker, sondern auch seine Bauweise. Widmann lässt die den Gruppen zugeteilten Klangelemente nach- und nebeneinander erklingen, verzichtet auf interne Entwicklung und Spielfluss und schiebt Material wie in einem planvollen akustischen Brettspiel durch den Raum. Interaktion zwischen den Instrumentalgruppen besteht in der Bildung von Gegensatzpaaren.Der Effekt ist erstaunlich. Das Stück wirkt einerseits aufgeräumt und überschaubar, andererseits in jedem Augenblick unvorhersehbar. "Antiphon" ist ein Verwirrspiel nach klaren Regeln - und die ganze Zeit über ein kontrastreiches, scharf geschnittenes Gebilde aus vitalen Klangformen. Die Musiker des HR-Sinfonieorchesters taten ihre Arbeit unter den geometrisch inspirierten Gesten Paavo Järvis ohne Weichzeichner.

Carl Nielsens Violinkonzert, das zweite Stück des HR-Sinfoniekonzerts in der Alten Oper, ist viersätzig, macht aber eher den Eindruck von zwei abgeschlossenen zweisätzigen Stücken. Der Solist Leonidas Kavakos gab dem Werk einen ungemein elastischen, eher subtil und artistisch als virtuos gestalteten Ton und behielt in dem widersprüchlich gebauten Werk eine Reserve, die seinem Ausdruck stets etwas Überlegtes gab. Auch die nachdrücklich virtuos geschriebenen und ausgeführten Passagen behielten einen Hauch von Lässigkeit, die sich als Mittel erwies, Nielsens Konzert wie unter eine Lupe zu legen. Die Begeisterung für Kavakos' Interpretation war so nachdrücklich, dass er nicht ohne Zugabe in die Pause durfte, wofür er "Recuerdos de la Alhambra" des spanischen Gitarristen und Komponisten Francisco Tarrega wählte, ein leises, Werkchen mit kompliziertesten Doppelgriffen, das ihm noch einmal Gelegenheit zu seiner speziellen Verbindung von Virtuosität und Lässigkeit gab. Bevor sich dann das HR Sinfonieorchester nach der Pause mit Bruckners Unvollendeter ins Hochgebirge begab.In hr2-Kultur am Dienstag, 11. März, 20.05 Uhr.

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