Paavo Järvi dirigiert Schumann

NDR.DE
Friederike Westerhaus
17.12.2012

CD der Woche
Paavo Järvi © HR / Sascha Rheker Fotograf: Sascha Rheker
Paavo Järvi setzt bei seiner neuen CD auf unvorhersehbare Wendungen und Akzente.

Mit Beethovens Sinfonien haben die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und ihr Künstlerischer Leiter Paavo Järvi weltweit riesige Erfolge gefeiert - ein Projekt, das sie über Jahre beschäftigt hat. Nun setzen sie ausgerechnet auf Robert Schumann, der als schlechter Orchestrator gilt oder - noch polemischer - als zweitklassiger Brahms. Doch schon mit ihrer ersten Schumann-CD mit den Sinfonien 1 und 3 haben die Bremer gezeigt, dass sie etwas zu Schumann zu sagen haben. Jetzt ist die nächste Folge der Gesamtaufnahme erschienen, mit der zweiten Sinfonie und vier Ouvertüren.

Grenzenlos emotional

Das Adagio espressivo aus Schumanns zweiter Sinfonie - schon allein dafür lohnt sich diese CD. Nur diese zehn kurzen Minuten, die weite Räume öffnen und die Ewigkeit einfangen. Musik, die zu Tränen rührt.
Die unfassbare Schönheit dieser Musik, ihre Melancholie und vor allem die Innigkeit werden hier greifbar. Ohne das große Vertrauen zwischen Järvi und den Musikern wäre das sicher nicht so intensiv, denn dieser Satz duldet keine Vorbehalte. Er muss geradezu grenzenlos emotional sein. Wer sich wirklich auf Schumanns Musik einlässt, begibt sich in eine abenteuerliche Gedanken- und Gefühlswelt.
Järvi setzt gerade auf die völlig unvorhersehbaren Wendungen und Akzente, die überraschenden Wechsel von Liebe zu Schmerz, von Abgründen zu Glücksgefühl, von Ruhe zu Getriebensein. "Neurotisch" nennt Järvi das. Genau diese neurotischen Momente müsse man übertreiben, sagt Järvi.

Aufregend, erhellend, mitreißend

Purer Nervenkitzel ist diese Aufnahme. Das liegt auch an Järvis untrüglichem Gespür für Nebenstimmen, die er plötzlich hervortreten lässt. Das Image von Schumann als unzulänglichem Orchestrator stellt er so gründlich auf den Kopf. Dass die Musiker Hürden wie die langsame Einleitung mit den heiklen Bläserakkorden oder dem halsbrecherischen Geigenbeginn des zweiten Satzes souverän meistern, nimmt man schon fast als selbstverständlich hin.
Die Ouvertüren, vor allem aber "Manfred", scheinen wie ein Extrakt der Schumann'schen Welt. Für Järvi eines der besten Stücke überhaupt.
Der Bremer Schumann ist aufregend, erhellend, mitreißend - kurzum: absolut phänomenal.

http://www.ndr.de/kultur/klassik/schumann165.html

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