CONCERT REVIEW: Frankfurt Radio Orchestra- Alte Opera

October 29, 2007
Offenbach-Post

Schwanengesänge an Grenze der Tonalität
Konzert des hr-Sinfonieorchesters in Alter Oper Frankfurt

Letzte Komponistenworte eröffnen nach sehnsuchtsvoller Bilanz oft neue klangliche Wege. Gustav Mahlers Adagio aus der zehnten Sinfonie, von Paavo Järvi und dem hr-Sinfonieorchester in der Alten Oper Frankfurt akribisch erkundet, gedieh so zum ergreifenden Schwanengesang an der Grenze der Tonalität. Auf den Vermächtnis-Charakter zielte auch Lars Vogt als Solist in Mozarts letztem Klavierkonzert mit außerordentlichem Feingefühl. Zwar kein Endspiel, aber die sinfonische Form sprengend und Naturlaut in stimmungsvoller Klangprosa einbringend: In der Fünften des Finnen Jean Sibelius setzt ein Schwanenmotiv den malerischen Akzent, Finale des spannenden Funkkonzerts. Wie ein Bär mit Samtpfötchen wirkt Lars Vogt am Flügel, ein Idealfall für Mozarts B-Dur-Konzert, dessen liedhafte Anlage er noch zu sublimieren versteht. Ein Abgesang wie transzendental entrückt - mit unendlich feinem Tastensinn entwickelt der Pianist Mozarts sinfonischen Gehalt, stimmlich eng mit dem Orchester verknüpft. Selbst die figurativen Elemente, die perlenden Läufe und Arpeggien der stilistisch gut eingebundenen Kadenzen stehen wie unter einem erhabenen Bann. Große Gelassenheit beim Larghetto, das aus dem Innersten zu kommen scheint und das zudem durch das wie gehauchte Legato der hr-Sinfoniker empfindsam berührt.

Ohne Pause geht"s in die volksliedhaften Sphären eines "Komm lieber Mai und mache", von Lars Vogt so beschaulich wie nachdenklich zelebriert, was nicht zuletzt die Wendungen in sehnsüchtiges Moll bezeugen. Vogts subtile Anschlagskunst wie auch seine Fähigkeit, ein Werk seelisch tief zu loten, erinnern an die hohe Klavierkunst eines Alfred Brendel. Wie zur Bestätigung schickt der 37-Jährige Franz Schuberts Moment musical As-Dur nach, ebenfalls eine Spezialität des großen österreichischen Kollegen. Vorausgegangen war ein Mahler-Adagio, das Todesgewissheit atmet, dessen weit ausgreifende Intervallsprünge für hohe Expressivität sorgen, die Paavo Järvi bis zum berühmten Neun-Ton-Akkord dynamisch druckvoll erkundet. Auch ein Blick zurück ohne Zorn auf Wiener Streicher-Seligkeiten wie auf Mahlers gespenstischen Holzbläser-Girlanden, freilich weniger schrill tönend. Für nordische Sinfonik, ein Saison-Anliegen des estnischen Chefdirigenten des hr-Sinfonieorchesters, steht in diesem Konzert der Finne Sibelius und seine zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1915 entstandene fünfte Sinfonie. Ihre Hochform bezeugen die hr-Blechbläser in geballter klanglicher Entwicklung, kontrastiert von milden Streicher-Pizzicati, die wie Mücken auszuschwärmen scheinen. Mit ihrem folkloristisch schlichtem Melos auf ostinatem Begleitgrund ist das typische Musik des Nordens, deren Naturstimmung in jenem Schwanenmotiv kulminiert, in das die wohltemperierten Hörner wellenförmig ausschwingen. Järvis dramaturgisches Gespür feiert im effektvollen Finale wahre Triumphe. Doch in Erinnerung bleiben eher Mozarts und Mahlers Schwanengesang ...
KLAUS ACKERMANN

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