Beethovenfest im September in Bonn mit dem estnischen Dirigenten Paavo Järvi

Baltische Rundschau
Veröffentlicht von Steve Julius Furthmüller on Mrz 31st, 2010 und gespeichert unter Deutschland, Featured, Kultur. Sie können Kommentare über die Artikel hier mitverfolgen: RSS 2.0. Sie können einen Kommentar oder einen Trackback zu diesem Artikel erstellen


Das Beethovenfest in Bonn ist seit zehn Jahren eine Erfolgsgeschichte. Das Festival belebt die Rhein-Metropole, die lange Jahre als Hauptstadt Deutschlands fungierte und lässt die Stadt international strahlen. Das diesjährige Beethovenfest findet vom 10. September bis zum 9. Oktober statt.

Jährlich reisen die bedeutendsten Interpreten der klassischen Musikszene, Kent Nagano, Paavo Järvi, Hélène Griumaud, Sol Gabetta, Martin Grubinger, Sir Neville Marriner, Daniele Gatti, András Schiff und Daniel Hope zum Beethovenfest und genießen dort die Atmosphäre des großen Tonkünstlers.

Nicht weit von der Beethovenhalle, in der die zahlreichen Konzerte stattfinden, liegt in einer kleinen Querstraße auf dem Weg zur Altstadt das Geburtshaus des großen Komponisten – für Menschen aus aller Welt eine Gedenkstätte von hohem Rang. Es ist ein Anziehungspunkt, denn das Museum beherbergt die größte Beethoven-Sammlung weltweit. Anhand eindrucksvoller authentischer Dokumente wird das Leben und Schaffen des Tonsetzers anschaulich.


Beethovens Geburtshaus

Das Geburtshaus Ludwig van Beethovens (1770-1827) liegt in der Bonngasse Nr. 20. Es ist eines der wenigen erhaltenen Bürgerhäuser in Bonn aus dem 18. Jahrhundert. Seine barocke Steinfassade wurde über einem Kellergewölbe aus dem 12. oder 13. Jahrhundert errichtet.

Im Hinterhaus, dem Gartenflügel des Gebäudes, bezogen 1767 der kurfürstliche Hof-Tenorsänger Johann van Beethoven mit seiner Gattin Maria Magdalena ihre Wohnung. Im Erdgeschoss befanden sich eine Küche und ein unterkellerter Wirtschaftsraum. Im ersten Stock bewohnte die Familie zwei kleinere und eine etwas größere Stube. In einer der winzigen Kammern im Dachgeschoss erblickte im Dezember 1770 ihr Sohn Ludwig, der später Weltruhm erlangen sollte, das Licht der Welt.

Bereits wenige Jahre nach der Geburt Ludwig van Beethovens, verließ die Familie die beengten Verhältnisse und zog in das Haus “Zum Walfisch“ in der Rheingasse.

Utopie und Freiheit in der Musik

„Ins Offene. Utopie und Freiheit in der Musik“ lautet das gegenwärtige Motto des Beethovenfestes: Am 10. September beginnen die Festlichkeiten und dauern bis zum 9. Oktober.

Foto: Jan Erik Siebert

Ein emphatischer Ruf zum Aufbruch steht am Anfang von Friedrich Hölderlins Elegie „Der Gang aufs Land“: „Komm! Ins Offene, Freund! / zwar glänzt ein weniges heute / Nur herunter und eng / schließet der Himmel uns ein.“

Heraus aus einer Enge, die ihre Entsprechung in der Natur, im trüben Himmel, in der leblosen Stille und Leere hat. Und man ahnt, dass sich in der äußeren Ödnis eine innere Enge der Melancholie und des persönlichen Leids spiegelt.

Aus dieser Stimmung der Belastung wird ein imaginärer Gefährte aufgefordert, „ins Offene“ mitzukommen, in einen Raum, der vor dem Betrachter in der Zukunft liegt und neue Möglichkeiten verheißt.

Das Zauberwort „Utopie“ weckt viele Assoziationen und lenkt auf verschlungene Pfade der Geistesgeschichte. Als Begriff wurde es erst 1516 durch den phantastischen Staatsentwurf des Thomas Morus geprägt. Aus der Kritik an den Zuständen der Gegenwart – wie die Werke der Aufklärung des 19. Jahrhunderts – erwachsen die Vorstellungen von einem besseren Morgen.

„Ein neues Lied, ein besseres Lied, / O Freunden, will ich Euch dichten! / Wir wollen hier auf Erden schon / Das Himmelreich errichten.“ Die berühmten Verse aus Heinrich Heines „Deutschland. Ein Wintermärchen“ verweisen auf die Energie, die von utopischen Entwürfen ausgehen kann und die Realität vielleicht tatsächlich menschlicher macht“, meint Barbara Stach, Dramaturgin des Beethovenfestes in ihrer Einführung.

Fulminanter Anfang des diesjährigen Festes mit Hélène Grimaud und Paavo Järvi

Nach ihrem gefeierten Beethoven-Symphonien-Zyklus beim letztjährigen Beethovenfest ist die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen in diesem Jahr erneut „Orchestra in Residence“ und mit drei Konzerten in Bonn zu Gast. An den ersten beiden Konzertabenden – am 10. und 11. September 2010 – stellt sie Robert Schumann und Ludwig van Beethoven einander gegenüber und kombiniert Solistisches mit Symphonischem.

Foto: Jan Erik Siebert

Das Eröffnungskonzert am 10. September präsentiert die „Ouvertüre zum dramatischen Gedicht „Manfred“ nach Lord Byron op. 115, genannt auch „Manfred-Ouvertüre“ und die Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 97, betitelt „Rheinische Symphonie“ von Robert Schumann. Zwischen den zwei Schumann Kompositionen hören die Musikliebhabern das „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73 (The Emperor“) von Ludwig van Beethoven. Am Klavier sitzt Hélène Grimaud und Paavo Järvi dirigiert.

Am folgenden Abend stehen Beethoven und Schumann wieder abwechselnd im Programm. Ein durchaus heiteres Stück ist das „Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll op. 129“ von Schumann. Der Notenkünstler schrieb selbst in seinem Verlag Breitkopf & Härtel: „Ich glaube, dass gerade, da so wenige Kompositionen für dieses Instrument geschrieben werden, der Absatz ein den Wünschen entsprechender sein wird.“ Heute zählt das Konzert zu den beliebtesten und meistgespielten dieser Gattung. Mir Sol Gabetta, eine der derzeit weltbesten Cellistinnen, wird das Werk zum Klingen bringen.

Nach der Konzertpause wird der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, deren künstlerischer Leiter seit 2004 Järvi ist, der Preis der Deutschen Schallplattenkritik 2010 verliehen.

Das ganze Programm ist auf der Homepage des Festivals www.beethovenfest.de zu finden und weitere Infos gibt es unter der Telefonnummer 0228-2010345.

Järvi wurde 1962 in Tallinn geboren. Er ist Sohn des berühmten estnischen Orchesterleiters Neeme Järvi und seiner Frau Liilia. Paavo Järvis Geschwister sind der ebenso exzellente Dirigent Kristjan Järvi und die Flötistin Maarika Järvi.

Paavo Järvi ist seit 2004 künstlerischer Leiter der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Außerdem ist er Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters Frankfurt (seit 2006), Music Direktor des Cincinnati Symphony Orchestra und künstlerischer Berater des Estonian National Symphony Orchestra. Zusätzlich ist er für die Saison 2010/11 zum Chefdirigenten des Orchestre de Paris in Nachfolge von Christoph Eschenbach ernannt worden. Seine estnische Wurzel hat der Maestro, der abwechselnd in den USA und in London lebt, nie vergessen. Er spricht ausgezeichnet Estnisch, seine Muttersprache lernen auch ihre Kinder.

Neben seinen festen Positionen ist Järvi als Gastdirigent sehr gefragt. Er dirigiert regelmäßig Orchester wie das Los Angeles Philharmonic Orchestra, New York Philharmonic, Boston Symphony, die Staatskapelle Dresden, das Orchester der Mailänder Scala.

Zu Järvis Veröffentlichungen zählen eine „Grammy“-prämierte CD mit Kantaten von Jean Sibelius, eine Aufzeichnung von Edvard Griegs „Peer Gynt“, die vom „BBC Music Magazine“ im Jahr 2006 als beste Orchesteraufnahme ausgezeichnet wurde, sowie weitere Orchesterwerke von Grieg.

Foto: Jan Erik Siebert

Der Maestro begann sein Studium (Percussion und Dirigieren) in seiner Geburtsstadt Tallinn. Er spielte Schlagzeug in Erkki-Sven Tüürs kammermusikalischem Rockensemble „In Spe“, diese Formation entwickelte sich zu Beginn der 1980er Jahre zu einer der beliebtesten Rockgruppen in Estland.

Nachdem sein Vater Neeme Järvi – ein Regimekritiker und Fan von Arvo Pärt – Probleme mit den Behörden bekam, stellte er einen Ausreiseantrag und brach mit der gesamten Familie 1980 in die USA auf. In seiner neuen Heimat begann Paavo Järvi eine Musikausbildung am Curtis Institute of Music und am Los Angeles Philharmonic Institute bei Leonard Bernstein. Seine erste Stelle als Dirigent erhielt Järvi als er zusammen mit Andrew Davis das Stockholmer Kungliga Filharmoniska Orkestern (1995-98) leitete.

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter Järvis Leitung hat alle Sinfonien von Ludwig van Beethovens neu aufgeführt und viel Lob von den Musikkritikern dafür geerntet. Im Rhein-Main-Gebiet erregte Järvi durch das zusammen mit dem Hessischen Rundfunk durchgeführte Music Discovery Project vor allem unter der jüngeren Generation große Aufmerksamkeit. Das im Jahr 2007 zum ersten Mal gespielte Konzert, welches immer im Zusammenspiel mit DJs und anderen Künstlern stattfindet, hat sich seitdem zu einem Zuschauermagnet entwickelt. Waren bei der ersten Aufführung die beiden DJs Tom Wax und Boris Alexander zu Gast bei Järvi, gab 2008 der DJ Mousse T. ein Stelldichein, gefolgt von Paul van Dyk im Jahr 2009.

Järvi hat zahlreiche Werke estnischer Komponisten wie Arvo Pärt, Erkki-Sven Tüür, Lepo Sumera und Eduard Tubin uraufgeführt.

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