Abschied mit Pauken und Trompeten

OP-online.de
Klaus Ackermann
17.06.2013
Paavo Järvi glänzt mit hr-Sinfonieorchester

Frankfurt - In der Champions League sieht hr-Intendant Helmut Reitze das hr-Sinfonieorchester, voller Lob für dessen Cheftrainer Paavo Järvi.
© dpa
Und das zu Recht, was der sieben Jahre lang Hessens Funk-Sinfoniker prägende estnische Dirigent final mit Olivier Messiaens Turangalila-Sinfonie noch einmal unterstrich.
Wahrlich ein Abschied mit Pauken und Trompeten, die ein mächtiges Klangmonument dominieren, dem auch Pianist Stewart Goodyear und Cynthia Millar an der exotischen Ondes Martenot virtuos zuspielten.

Turangalila geht auf die altindische Sprache Sanskrit zurück und ist Liebeslied, Freudenhymnus und rhythmischer Impulsgeber gleichermaßen, ein schier allmächtiges sinfonisches Denkmal auf Liebe, Leben und Tod. Der französische Neutöner hatte es kurz nach dem Zweiten Weltkrieg für das Boston Symphony Orchestra komponiert, von dem es 1949 uraufgeführt wurde – mit Leonard Bernstein als Dirigenten. Und in farbigen Harmonien und jazzigen Rhythmen erweist Messiaen durchaus auch der US-Musik Referenz: George Gershwin hat zum musikalischen Kosmos des Franzosen Zutritt.

Ideales Miteinander

Mit großem gestalterischem Atem bändigt Järvi die zehn Sätze umfassende Sinfonie. Da gibt es in 75 Minuten Spieldauer zwischen feinen Lyrismen und heftigen instrumentalen Attacken keinerlei Durchhänger, was einmal mehr das ideale Miteinander von Chefdirigent und hr-Sinfonikern belegt, die das große klangliche Format schätzen, wie sie tief eintauchen in diese vielschichtige Turangalila-Welt.
Ein höllisches Inferno ist schon der Einstieg mit dem statuarischen Posaunenthema und dem „Blumen-Motiv“, bei dem sich pianissimo Klarinetten-Blüten zu entfalten scheinen. Aus „Tristan“-Sphären stammt das in sattes Chroma eingetauchte Liebes-Thema mit der Ondes Martenot als elektronisch erzeugter Flötenton.
Messiaen liebte dieses Instrument, dessen Klangfarbe Cynthia Millar gründlich ausreizt, vom schrillen Radio-Pfeifen bis hin zu anmutigem Vogelgezwitscher. Denn beim modernen französischen Klassiker sind Naturlaut und künstlicher Klang eng miteinander verwoben, jedoch angelegentlich vom massiven Blech zersägt und vom Schlagwerk wie im Rausch zerhämmert.
Ätherisch abgehobene klangliche Liebeswonnen werden von Järvi und den Instrumentalisten lustvoll in irdische Gefilde überführt, was in einen wilden Tanz mündet, der in einem gewaltigen Fortissimo-Schlag endet. Dann wird aus dem permanent am Klavier kolorierenden und figurierenden kanadischen Pianisten ein Virtuose, der förmlich hineinsticht ins sinfonische Gefüge. Große Klavierkunst zelebriert Goodyear zudem in den burlesken Kadenzen. Seinen finalen Faustschlag fangen sensible kammermusikalische Passagen von Solo-Streichern und zauberhafte Intermezzi ab, bei denen Piccoloflöte und Fagott in Dialog treten.
Natürlich siegt die Liebe im finalen Jubel-Hymnus mit den Blechbläsern in jazziger Bigband-Laune, mit grellem Ondes Martenot-Pfiff und grandiosem orchestralen „Basta“. Dann regnet es Rosen vom Balkon. Für Järvi, die ebenfalls scheidende hr-Musikchefin Andrea Zietzschmann und das hr-Sinfonieorchester in Bestform.

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