Neuland perfekt erkundet
weser-kurier.de
Markus Wilks
21.01.2017
Bremen. Drei Komponisten, drei Werke, drei Horizonterweiterungen: Takemitsu, Strawinski, Brahms. In ihrem ersten Abokonzert des Jahres stellte die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen drei Stücke vor, mit denen die Komponisten Neuland betraten. Dank Paavo Järvis gewohnt souveräner Leitung sowie der delikat ihre Stradivari spielenden Vilde Frang als debütierender Solistin war das ein Ohrenschmaus.
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen betont gerne, dass sie besser und anders ist als viele andere Orchester. Das trifft ganz sicher auf das seit 2014 schwerpunktmäßig laufende Brahms-Projekt zu, mit dem sie weltweit erfolgreich gastiert. Vermutlich kein anderes Orchester hat in den vergangenen Jahren so oft die Sinfonien und Konzerte von Johannes Brahms gespielt. Mehr als 60 Mal stand bislang eine der vier Sinfonien auf einem Programm, wobei dem Publikum in Wien, St. Petersburg und Tokyo jeweils die Ehre einer zyklischen Aufführung zukam. In Bremen wagte das Orchester bislang kein solches Brahms-Festival.
In der Glocke begann am Donnerstag mit der Sinfonie Nr. 1 der auf mehrere Spielzeiten verteilte zweite Bremer Brahms-Zyklus. Wieder verstanden es die Musiker unnachahmlich, die Eigenarten der Sinfonie wie die chromatische Entwicklung, das Wechselspiel zwischen den Instrumenten, die aggressiven Paukenschläge in der Einleitung und das von Flöte und Horn gespielte „Alphornsolo“ besonders zu betonen. Järvi lässt sein Orchester in vielen Tutti-Stellen nicht so dröhnen wie sonst oft zu hören, sondern transparenter und ökonomischer spielen. Er setzte die Akzente, etwa die der Bässe, in durchsichtigeren Passagen. Zwischen dem klangsensiblen Musizieren der Solostimmen (insbesondere Oboe, Klarinette, Violine) bis hin zu den fulminant zugespitzten rhythmischen Energien im Finale lagen wieder faszinierende Welten. Gespür für feinste klangliche Schattierungen und einen ungewöhnlich homogenen, vibratoarmen Ton (manchmal noch genauer und schöner als im Brahms) bewies die Kammerphilharmonie im ersten Stück des Konzerts, in Tōru Takemitsus Requiem für Streichorchester. Konzertmeisterin Sarah Christian drückte mit ihren superweich gespielten Soli dem geschickt zwischen dissonant und melodiös wechselnden Stück ihren Stempel auf. Ein gefeiertes Debüt bei den Kammerphilharmonikern gab die Geigerin Vilde Frang. Sie stellte in Igor Strawinskis Violinkonzert weniger die aggressiven, virtuosen Seiten der Komposition heraus, sondern führte mit delikatem Spiel durch das komplex konstruierte, die Instrumente in immer neuen Konstellationen mit der Geige kombinierende Stück. Vom Flirren der kleinen Flöte bis hinunter zu den Farbtupfern der Tuba war das eine verspielte Interpretation, die perfekt mit dem weichen, nie forciert gebildeten Ton von Vilde Frangs Geige harmonierte.
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