Paavo Järvi wird ab 2019 neuer Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters

bzbasel.ch
30.05.2017
Anna Kardos

Der 52-jährige Este Paavo Järvi wird ab 2019 neuer Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters. Er rockte einst das Baltikum.
Er ist die goldene Mitte. Dirigent Paavo Järvi (52) wird ab Sommer 2019 Chefdirigent des Tonhalle Orchesters. Nach seinem jugendlichen Vorgänger Lionel Bringuier und seinem väterlichen Vorvorgänger David Zinman ist Järvi nun sozusagen ein Mann in den besten Jahren – und das ist durchaus auch musikalisch gemeint: Seit 20 Jahren leitet er die Kammerphilharmonie Bremen, die nun ihrerseits unter seinem Dirigat ihre «besten Jahre» erlebt.


Als weltweit gefragter Maestro ist Järvi gleichzeitig in Japan als Chefdirigent des NHK-Sinfonieorchester tätig. Und nicht zuletzt Järvis Diskografie kann sich sehen lassen: Mit Einspielungen der Sinfonien Carl Nielsens oder der Orchestermusik von Henri Dutilleux sowie Gesamtaufnahmen von Beethovens und Schumanns Sinfonien hat der Dirigent sich nachhaltig einen festen Platz in der Reihe der besten Maestri gesichert – und dies zudem mit einem sehr breiten Repertoire und einer Herangehensweise, die ebenfalls von einem Musiker mit Reife und Elan zeugen. Denn ein romantisch Schwelgender ist der Este nicht, auch kein musikalischer Weltenumarmer.

Seine Interpretationen sind unsentimental kraftvoll, mit Blick auf die grosse Struktur. Das Tonhalle-Orchester dirigiert hat er bisher zweimal, 2009 und im Dezember 2016 – Musiker wie Zuhörer waren euphorisch. Auch Intendantin Ilona Schmiel strahlte an der gestrigen Medienkonferenz und verriet, «anfangs standen 70 Dirigentennamen zur Diskussion. Zum Schluss gab es einen einzigen Wunschkandidaten für uns: Paavo Järvi.»

Beim legendären Bernstein studiert


Angefangen hatte indes alles etwas anders. Sozusagen mit einem Paukenschlag begann Järvi seine Musikerlaufbahn, indem er sich in seiner Heimatstadt Tallinn zum Schlagzeuger und Dirigenten ausbilden liess. Als Sohn des Dirigenten Neeme Järvi war er ohnehin von Kindsbeinen an mit Klassik aufgewachsen. Bruder Kristjan, Schwester Maarika und manch anderes Mitglied der Familie Järvi ist als Musiker tätig. Ab 1980 setzte Paavo Järvi seine Studien in den USA fort – unter anderem beim legendären Leonard Bernstein. Abgehoben war er allerdings schon damals nicht. Stattdessen rockte er als Schlagzeuger der beliebtesten Band Estlands In Spe wie nebenbei das Baltikum.

Die Tonhalle wird er nachgerade nicht rocken müssen. Aber zupacken können, präsent sein, die Zukunft des Orchesters weiterdenken. Dass er das kann, scheint sich bereits im Voraus anzudeuten. Etwa dadurch, dass er seinen Chefposten bereits ab Sommer 2019, also während der Renovation des Tonhalle-Saales und mitten im Maag-Provisorium, antritt. Genauso sehr auch an seiner ehrlich empfundenen Freude in der gestrigen Medienkonferenz, wo er verriet, dass er bei seinem Konzert mit der Tonhalle während des Gangs auf das Podium dachte: Wenn mich dieses Orchester wirklich anfragen würde, wäre meine Antwort sofort: Ja.

Comments

Popular Posts