Kultivierter Rausch: Janine Jansen mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen
Von Benedikt Zacher, 20 Mai 2025
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Janine Jansen brennt. Und sie schafft es, ihr inneres Feuer so zu kanalisieren, dass sie daran nicht ausbrennt. Jansen entfacht musikalische Fulminanz, so dass Austausch von Energie und Freude stattfindet, bei dem sowohl die Solistin als auch das Publikum gemeinsam einmalige musikalische Erlebnisse erschaffen.
Kongenial ist Jansens Zusammenarbeit mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen; einem Orchester, bei dem jedes Mitglied spürbar und hörbar für das gemeinsame Musizieren brennt. Wenn man allein die historische Reihe der KonzertmeisterInnen der Deutschen Kammerphilharmonie betrachtet, wird deutlich, wie einzigartig dieser Klangkörper in vielerlei Hinsicht ist. Christian Tetzlaff, Sarah Christian und derzeit Rosanne Philippens sind renommierte Solist*innen, die es offenbar genießen, mit gleichgesinnten Ausnahmemusiker*innen das Beste der Orchesterliteratur auf höchstem Niveau zu erarbeiten und immer wieder frisch und neu zu interpretieren.
Und schließlich der letzte im Bunde: Paavo Järvi, estnischer Dirigentenstar und seit 2004 Künstlerischer Leiter der Deutschen Kammerphilharmonie. Ein Feuerbändiger mit wohldosierten, reduzierten Bewegungen, in ständigem Austausch mit den Musikern, dabei stets ungeheuer elegant. Seine musikalische Finesse gepaart mit der Leidenschaft der Kammerphilharmonie machte bereits das erste Werk des Abends, Schuberts Symphonie Nr. 7 h-moll, die so genannte „Unvollendete“, zu einer abwechslungsreichen musikalischen Entdeckungsreise.
Zu Beginn zarte Streichersechzehntel als Grundierung für eine samtene Klarinette, die das erste Thema vorstellte. Dann die Kulmination in akzentuierten Synkopen, zupackend angeführt von der überaus engagierten Konzertmeisterin. Gefolgt von einem Fermate der Hörner, wunderbar zurückgenommen, um dann wieder zu erblühen als Übergang zum zweiten Hauptthema. Die Streicher perfekt austariert, die Bläser mit spannungsreichen Dissonanzen, die sie bewusst forcieren hin zur harmonischen Auflösung. So deutlich hatte man das noch nie gehört, auch wenn die Bläser teilweise nicht immer ganz perfekt zusammenspielten zu Beginn ihrer gemeinsamen Passagen.
Es folgte der Höhepunkt des Abends, das Konzert für Violine und Orchester D-Dur, Op.61 von Ludwig van Beethoven, wohl das kultivierteste Violinkonzert überhaupt. Häufig wird dieses Konzert fast feierlich als eine Reihe verklärter Melodien und Motive interpretiert. Die meisten Aufnahmen sind eher statisch und zelebrieren pure Klangästhetik. Ganz anders Jansen. Ihr musikalisches Feuer lodert von den ersten Oktavpassagen bis zum letzten Akkord. Jansen geht klanglich volles Risikos spielt die Kandenz im ersten Satz fast rauschhaft, badet in Obertönen und reißt Publikum und Orchester gleichermaßen mit.
Die Konzertmeisterin fiebert jedem Takt entgegen, auch in der Kadenz musiziert ihr Körper mit, weil man sich dieser Energie schlichtweg nicht entziehen kann. Und doch gelingt es Jansen, dass sie das Werk nicht vereinnahmt und zu ihrem Konzert macht. Man spürt stets einen tiefen Respekt vor Beethovens einzigartigem Meisterstück. Sie interpretiert nicht auf Jansen-Art, sondern entbirgt das, was in vielen anderen Deutungen verborgen bleibt. Wo andere Interpreten ganze Passagen auf einen Bogen binden, entflicht sie die Töne in schnellem Portato und zeigt dadurch, wie spritzig und kess Beethovens Violinkonzert sein kann, wie aufregend und abwechslungsreich.
Nach der Pause stand Schuberts Vierte Symphonie, die „Tragische“, auf dem Programm. In dieser Symphonie, die Schubert mit nur 19 Jahren komponierte, offenbart sich bereits sein musikalisches Genie, sein Gespür für Form und Harmonie, aber auch für Orchestrierung und spannungsreichen Kontrapunkt. Immer wieder weicht er ab vom üblichen Tonartschema spannungsreicher Klangerzählung, wenn er beispielsweise im zweiten Satz (Andante) nicht in die Dur-Parallele Es-Dur wechselt, sondern nach As-Dur.
Für moderne Orchester, die ständig Orchesterliteratur über alle hinweg Epochen spielen, ist das nicht weiter aufregend. Umso erfreulicher, wenn diese Überraschungen trotzdem spürbar werden. Die Deutsche Kammerphilharmonie gestaltete auch hier jede Phrase, jedes Motiv, jede Nuance mit akribischer Detailtreue, ohne dass der innere Zusammenhang des Werks verloren ging. Mit fast diebischer Freude ließen auch die Begleitstimmen der Bratschen und zweiten Geigen ihre Bögen springen und flitzen, so zum Beispiel am Ende des letzten Satzes (Allegro) in den schier endlosen Sechzehntelpassagen. Bis ins letzte Pult sah man konzentrierte und lächelnde Gesichter. Welch ein fröhlicher Abschluss eines erhebenden Konzertnachmittags.
Das Konzert wurde von MünchenMusik veranstaltet.
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