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Wie Paavo Järvi und Janine Jansen das reine Musikglück bescheren

 STERNENSTAUB

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter Paavo Järvi gab im Musikverein mit Beethoven und Schubert eines der herausragenden Konzerte der letzten Jahrzehnte

Stefan Ender/Standard

14. Mai 2025, 14:14


Geigenvirtuosin Janine Jansen verwies in ihrer Interpretation von Beethovens Violinkonzert auf die Fragilität der letzten Dinge.

Marco Borggreve

Bei Beethoven klopft das Schicksal (in seiner Fünften) energisch an die Tür, bei Schubert nähert es sich auf leisen Schwingen. Hauchzart erschufen die Geigen der Kammerphilharmonie Bremen in der Unvollendeten die erste Begleitfigur; deren sanftes wellenartiges Auf und Ab trägt das Hauptthema der Oboe, das leise von Unheil kündet. Zu dieser Musik ordnet Tom Cruise in Steven Spielbergs Sci-Fi-Klassiker Minority Report als Chief Anderton mit den präzisen Bewegungen eines Dirigenten die Bilder der Precogs, die drohende Verbrechen vorausahnen.

Im Großen Musikvereinssaal zeichnete Paavo Järvi für die gestische Koordination der klingenden Dinge und alle emotionalen Evokationen verantwortlich. Gibt es einen Besseren? Seit gut 20 Jahren musiziert der Este hauptverantwortlich mit den Hansestädtern, und was am Dienstagabend auf die ersten Takte von Schuberts h-Moll-Symphonie folgte, war nicht weniger als eines der herausragenden, bewegendsten Konzerte der letzten Jahrzehnte. Im klassisch-frühromantischen Repertoire reicht kaum ein anderer Klangkörper an das Niveau der Bremer heran.

Gebannt folgte man einer gleichermaßen detailreichen wie emotional weit gespannten Klangerzählung, die in ihrer emotionalen Wahrhaftigkeit fast überforderte. Die akute Erkrankung eines Konzertgastes während Janine Jansens Interpretation des Beethoven-Violinkonzertes schärfte noch den Fokus auf die Fragilität aller existenziellen Dinge. Die wenigen Moll-Passagen ließen innerlich frösteln.

Frisch und nuanciert

Das Spiel der Niederländerin, natürlich und nuanciert, frisch und lebensklug, war ein Geschenk. Nie möchte man das Werk mehr anders hören. Der Finalsatz von Schuberts Vierter zog mit der Anschaulichkeit wechselnder Opernszenerien und belebender Donizetti-Frische vorbei. Den gewichtigen Ernst des Schicksals à la Beethoven hatte Schubert da schon im eröffnenden Unisono-Fortissimo der Tragischen in souveräner Knappheit abgearbeitet. (Stefan Ender, 14.5.2025)

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