CONCERT REVIEW: DKAM/Beethovenfest Bonn
Startschuss für eine Formel-1-Sinfonie
Bei der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen steht Beethoven derzeit hoch im Kurs - Mit ihrem Chefdirigenten Paavo Järvi am Pult zeigt sie auch in Bonn eindrucksvoll ihre Kompetenz
Von Bernhard Hartmann
Bonner General-Anzeiger, (13.09.2005)
Bonn. Vor wenigen Wochen gastierte die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen zum New Yorker "Mostly Mozart"-Festival und spielte "Only Beethoven". Der Komponist steht bei den Bremern derzeit hoch im Kurs. Nicht nur im Big Apple wurden sie für ihre Leistung gefeiert, auch beim Ravinia Festival in Chicago erzeugten sie beim Publikum Begeisterungsstürme.
Im nächsten Jahr will man sämtliche Beethoven-Sinfonien im japanischen Yokohama aufführen, daneben arbeiten die Bremer fleißig an einer Gesamteinspielung des Zyklus. Klar, dass auch das Bonner Beethovenfest von diesen Aktivitäten profitiert: Bis 2007 werden die Bremer in Bonn ebenfalls alle Neune geliefert haben.
In der bedauerlicherweise nicht ausverkauften Beethovenhalle gab schon Beethovens "Coriolan"-Ouvertüre die Richtung vor, die Chefdirigent Paavo Järvi seinen Musikern in Sachen Beethoven weist. Satte Streicherklänge drängen mit unerbittlicher Wucht vorwärts, bieten eine packendes musikalisches Drama mit tragischer Fallhöhe.
Es wird rhythmisch spannungsreich musiziert, wobei die dynamische Weite des Orchesters trotz der sparsamen Streicherbesetzung erstaunlich ist: Solche Wucht hätte man sich auch am Freitag bei der Eroica-Aufführung durch das Orchestre Philharmonique de Radio France mitunter gewünscht.
Dass die Klangqualität der Kammerphilharmonie sich aber nicht nur auf den oberen Teil der Lautstärkeskala beschränkt, zeigte sie später vor allem bei der zweiten Zugabe, dem "Valse triste" von Jean Sibelius. Hier dimmte Paavo Järvi den Streicherklang bis ganz nahe an die Wahrnehmungsgrenze und erzeugte so eine Spannung, die dem Publikum den Atem verschlug.
Im Hauptprogramm folgte als Zwischengang zum Beethoven-Hauptmenü die dritte Sinfonie des französischen Komponisten Albert Roussel, ein Stück voll neoklassizistischen Esprits. Man spürt in dem viersätzigen Werk das Vorbild der Wiener Klassik, die aber - darin durchaus vergleichbar mit Prokofjews "Symphonie classique" - auf sehr intelligente Art und mit viel durchtriebenem Witz gegen den Strich gebürstet wird.
Fülle der Klangfarben
Unter Paavo Järvis souveräner Leitung wirkte die Musik äußerst eloquent, mitreißend der atemlose Dreierrhythmus des ersten Satzes, wunderbar in der Fülle der Klangfarben des zweiten Satzes, dessen fugierter Abschnitt nichts an Präzision vermissen ließ. Diese Sinfonie ist auch ein dankbares Schaustück für die erstklassigen Bläser der Kammerphilharmonie, die ihre virtuosen Partien mit geradezu französischer Eleganz meisterten.
Den Auftrittsapplaus nach der Pause unterbrach Paavo Järvi fast unwirsch mit einem gleichsam ins Publikum geschleuderten Schicksals-Motiv der fünften Sinfonie Beethovens. Es war sozusagen der Startschuss zu einer Formel-1-Version des Werks. Und es ist dem spieltechnischen Niveau dieses Ensembles zu danken, dass die atemberaubende Geschwindigkeit nie gehetzt wirkte. Paavo Järvi sorgte immer dafür, dass die Details der Partitur nicht nur hörbar blieben, sondern bis in die Nebenstimmen hinein sorgfältig herausgearbeitet wurden.
Große Klasse etwas der Einsatz der Kontrabässe beim fugierten Mittelteil des Presto-Satzes. Beim Übergang zum vierten Satz erzeugten die Bremer eine fast schon impressionistisch anmutende Atmosphäre, die in das strahlende C-Dur der Bläser mündete (das die Konzertbesucher der Beethovenhalle seit einiger Zeit als lärmendes Pausensignal zur Eile treibt).
Welche klanglichen Möglichkeiten dem Orchester zu Gebote stehen, zeigte es auch in der ersten Zugabe: Brahms` Ungarischer Tanz Nr. 6., dessen extrem ausgekosteten dynamischen und agogischen Vorgaben fast schon schon ein bisschen zu viel Demonstrations-Charakter besaßen.
Weitere Informationen über das Beethovenfest finden Sie in unserem Special sowie im Internet unter www.beethovenfest.de.
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