Mozarts früheste Oper erleuchtet Bremen

Thomas Albert, als Geiger und Musikpädagoge Experte für Alte Musik, hat für Bremen ein hochkarätiges Musikfest auf die Beine gestellt

von Tom R. Schulz
DieWelt.de

Am 20. Oktober 1770 schrieb Wolfgang Amadeus Mozart von seiner ersten italienischen Reise einen kleinen Beschwerdebrief an seine Mutter, aus dem klar hervorgeht, daß das Komponieren eben doch ein Handwerk ist: "Meine liebe Mama, ich kann nicht viell schreiben denn die finger thuen sehr weh von so viel Recitativ schreiben: Ich bitte bette die Mama für mich, daß die Oper gut geht, und daß wir dan glücklich wieder beysamm seyn können." Die Schmerzen in den Fingern des 14jährigen Geniemusikers, den der Papst kurz zuvor in Rom mit einem Orden ausgezeichnet hatte, verschwanden bald wieder, und was die Mutter mit ihren Gebeten bewirken sollte, traf ein: Mozarts Oper "Mitridate, Re di Ponto", am zweiten Weihnachtstag 1770 in Bologna uraufgeführt, versetzte das verwöhnte italienische Publikum in Entzücken. Den Weg ins Repertoire fand das Werk nicht, doch jetzt, knapp 235 Jahre später, löste es erneut Begeisterung aus - bei den Salzburger Festspielen in diesem Sommer. Um nachzuprüfen, ob der Salzburger Jubel über Günter Krämers Inszenierung der "Mitridate" gerechtfertigt war, brauchen norddeutsche Opernfans jetzt bloß an die Weser zu reisen, denn ab Sonntag steht das Stück an drei Abenden auf dem Programm des Bremer Musikfestes, das morgen beginnt.

Thomas Albert, als Geiger und Musikpädagoge Experte für Alte Musik, als Erfinder und Intendant des Musikfests Bremen Experte für cleveres Marketing, hatte die Kooperation mit der alten Tante Salzburg schon vor Jahren eingefädelt. Als er von dem Vorhaben erfuhr, man werde zur Feier von Mozarts 250. Geburtstag an der Salzach alle seine Opern aufführen, verabredete Albert mit dem Salzburger Intendanten Peter Ruzicka zwei Koproduktionen. Er ist sehr stolz darauf, daß es ihm nicht nur gelang, für "Mitridate" den in Bremen bestens eingeführten Franzosen Marc Minkowski als Dirigenten durchzusetzen, sondern auch dessen aus lauter Spezialisten für Alte Musik bestehendes Ensemble, Les Musiciens du Louvre. Mozarts "Re Pastore" steht für 2006 auf dem Programm.

In Salzburg gastierten die Künstler unter freiem Himmel; in Bremen hat Albert für sie eine unansehnliche, dafür akustisch aber nach seinen Worten sehr brauchbare Halle ausfindig gemacht, das BLG Forum Überseestadt. Dort wird auch Goran Bregovic seine Version von Georges Bizets "Carmen" dem Musikfest-Publikum vorstellen (16. September). Er hat dem Werk eine saftige Transfusion mit Zigeunerblut verpaßt, nennt es nun "Karmen with A Happy End" und bringt die mit balkanischem Furor aufgeladene Musik mit seiner Wedding & Funeral Band und der Sängerin Vaska Jankovska auf die Bühne. Der Hauptspielort des Musikfests bleibt freilich weiterhin die Glocke. Bis zum 25. September gastieren dort große Namen der Klassikszene wie Ricardo Muti, Barbara Hendricks, Mariao Joao Pires, Gidon Kremer oder die Musica Antiqua Köln. Auch die Lokalmatadore der Bremer Kammerphilharmonie sind dabei, die unter Paavo Järvi unbedingt Beethovens Neunte spielen müssen.

Mit großem Erfolg hat Thomas Albert Partner aus der lokalen Wirtschaft ins Boot geholt, wie überhaupt die Beschaffung von Sponsoren und ihren Geldern zu den Meisterleistungen des sinnenfroh wirkenden, überaus kommunikationsbegabten Intendanten gezählt werden muß. Weit über die Hälfte des Etats (rund 2,8 Millionen Euro) kommt von Gewerbetreibenden, die es sich nicht nehmen ließen, im Programmheft anstelle ordinärer Produkt-Anzeigen wohltönende Bekenntnisse zu ihrem kulturellen Engagement abdrucken zu lassen.

Eine wachsende Neigung zur Landnahme ist auch bei diesem ursprünglich so städtisch ausgerichteten Festival zu beobachten. So gibt es diesmal auch Konzerte in Bremerhaven und Wilhelmshaven, in Cloppenburg und Wildeshausen, in Scheeßel und in Oldenburg. Bahnt sich da etwa ein bremisch-niedersächsisches Musik-Festival an?

Artikel erschienen am Fre, 2. September 2005

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