Concert: Beethovenfest Bonn DKAM
Paavo Järvi dirigiert die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen.
Foto: Barbara Fromman
Sep 1, 2008
Sep 1, 2008
Im Rausch der Geschwindigkeit
Bonn. Einer Überlieferung zufolge hatte Sony-Vizepräsident Norio Ohga einst die Aufnahmekapazität der CD auf 75 Minuten festgelegt, damit Beethovens neunte Sinfonie komplett auf den neuen Tonträger passen würde.
Hätte er in die Zukunft blicken können, wäre seine Forderung wohl etwas bescheidener ausgefallen: Paavo Järvi und seine Kammerphilharmonie Bremen nämlich brauchten beim Eröffnungskonzert des Beethovenfests in der ausverkauften Beethovenhalle für die komplette Paavo Järvi dirigiert die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Foto: Barbara Fromman
Sinfonie deutlich weniger als eine Stunde.
Järvis Motivation ist freilich keine sportliche, sondern eine musikalisch-philologische. Er versucht nichts anderes, als den Komponisten beim Wort zu nehmen. "Es ist ein Fehler, Beethovens Metronom-Angaben nicht zu folgen: Er war zunehmend taub, nicht zunehmend doof", hat er einmal gesagt.
Tatsächlich ist viel über die radikal schnellen, oft kaum realisierbaren Metronom-Angaben diskutiert worden, wobei sie vor allem im Lager der Originalklang-Bewegung Aufnahme fanden, längst aber auch bei Dirigenten moderner Orchester wie David Zinman oder eben Paavo Järvi beachtet werden.
Natürlich funktioniert das Beethoven-Experiment nur mit solch technisch brillanten Klangkörpern wie der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, die, wie schon in den vergangenen Jahren, auch jetzt wieder ein Höchstmaß an Präzision mit beglückend inspirierter Spiellaune verbanden.
Die Geschwindigkeit geht keineswegs auf Kosten des Ausdrucks: Selbst in romantischer gefärbten Aufführungen hört man das Rezitativ der tiefen Streicher zum Final-Beginn kaum je so schön artikuliert singen. Die explosive Wirkung des von der Pauke kontrapunktierten Scherzos ist ohnehin überwältigend. Die Botschaft der Neunten kommt allerdings weniger zum Tragen.
Was sich unter anderem an der Einbindung der menschlichen Stimme ablesen lässt. Unter Järvi, der im vierten Satz nach eigenem Bekunden viel Beethovensche Ironie sieht, erweitert sie die Klangfarben zwar um neue Nuancen, nicht aber die Musik um eine neue Dimension. Ob Järvis Sicht Beethovens Intention wirklich entspricht, ist aber eher fraglich.
Wie dem Deutschen Kammerchor die Verschmelzung gelingt, nötigt gleichwohl größten Respekt ab. Auch das Solistenquartett mit Christiane Oelze, Annely Peebo, Steve Davislim und Matthias Goerne ließ keine Wünsche offen. Im nächsten Jahr wird Järvi den in Bonn gewachsenen Beethoven-Zyklus übrigens zu den Salzburger Festspielen exportieren.
Zu Beginn des Konzerts und im Anschluss an die Begrüßungsreden von Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff hatte man mit der dritten Leonoren-Ouvertüre, in der bereits die Virtuosität der Musiker zu bewundern war, die Vorfreude auf die Neunte stimuliert.
Beide Stücke sind beziehungsreiche Beiträge zum Festivalmotto "Macht. Musik", ebenso wie Arnold Schönbergs 1942 im Exil komponierte "Ode to Napoleon Buonaparte" nach Lord Byron für Streichquartett, Klavier (Stefan Litwin) und Sprecher.
Energischer, aber kaum zu verstehender Rezitator des englischen Originaltexts war der Komponist und Dirigent HK Gruber. Diese Gegenüberstellung ist allerdings nicht mit der erschütternden Wirkung zu vergleichen, die, wie von Michael Gielen häufig praktiziert, Schönbergs "Überlebender aus Warschau" an der Seite von Beethovens Neunter macht.
Hätte er in die Zukunft blicken können, wäre seine Forderung wohl etwas bescheidener ausgefallen: Paavo Järvi und seine Kammerphilharmonie Bremen nämlich brauchten beim Eröffnungskonzert des Beethovenfests in der ausverkauften Beethovenhalle für die komplette Paavo Järvi dirigiert die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Foto: Barbara Fromman
Sinfonie deutlich weniger als eine Stunde.
Järvis Motivation ist freilich keine sportliche, sondern eine musikalisch-philologische. Er versucht nichts anderes, als den Komponisten beim Wort zu nehmen. "Es ist ein Fehler, Beethovens Metronom-Angaben nicht zu folgen: Er war zunehmend taub, nicht zunehmend doof", hat er einmal gesagt.
Tatsächlich ist viel über die radikal schnellen, oft kaum realisierbaren Metronom-Angaben diskutiert worden, wobei sie vor allem im Lager der Originalklang-Bewegung Aufnahme fanden, längst aber auch bei Dirigenten moderner Orchester wie David Zinman oder eben Paavo Järvi beachtet werden.
Natürlich funktioniert das Beethoven-Experiment nur mit solch technisch brillanten Klangkörpern wie der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, die, wie schon in den vergangenen Jahren, auch jetzt wieder ein Höchstmaß an Präzision mit beglückend inspirierter Spiellaune verbanden.
Die Geschwindigkeit geht keineswegs auf Kosten des Ausdrucks: Selbst in romantischer gefärbten Aufführungen hört man das Rezitativ der tiefen Streicher zum Final-Beginn kaum je so schön artikuliert singen. Die explosive Wirkung des von der Pauke kontrapunktierten Scherzos ist ohnehin überwältigend. Die Botschaft der Neunten kommt allerdings weniger zum Tragen.
Was sich unter anderem an der Einbindung der menschlichen Stimme ablesen lässt. Unter Järvi, der im vierten Satz nach eigenem Bekunden viel Beethovensche Ironie sieht, erweitert sie die Klangfarben zwar um neue Nuancen, nicht aber die Musik um eine neue Dimension. Ob Järvis Sicht Beethovens Intention wirklich entspricht, ist aber eher fraglich.
Wie dem Deutschen Kammerchor die Verschmelzung gelingt, nötigt gleichwohl größten Respekt ab. Auch das Solistenquartett mit Christiane Oelze, Annely Peebo, Steve Davislim und Matthias Goerne ließ keine Wünsche offen. Im nächsten Jahr wird Järvi den in Bonn gewachsenen Beethoven-Zyklus übrigens zu den Salzburger Festspielen exportieren.
Zu Beginn des Konzerts und im Anschluss an die Begrüßungsreden von Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff hatte man mit der dritten Leonoren-Ouvertüre, in der bereits die Virtuosität der Musiker zu bewundern war, die Vorfreude auf die Neunte stimuliert.
Beide Stücke sind beziehungsreiche Beiträge zum Festivalmotto "Macht. Musik", ebenso wie Arnold Schönbergs 1942 im Exil komponierte "Ode to Napoleon Buonaparte" nach Lord Byron für Streichquartett, Klavier (Stefan Litwin) und Sprecher.
Energischer, aber kaum zu verstehender Rezitator des englischen Originaltexts war der Komponist und Dirigent HK Gruber. Diese Gegenüberstellung ist allerdings nicht mit der erschütternden Wirkung zu vergleichen, die, wie von Michael Gielen häufig praktiziert, Schönbergs "Überlebender aus Warschau" an der Seite von Beethovens Neunter macht.
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