CONCERT REVIEW: Paavo with Christian Tetzlaff, music by Mauricio Kagel


Mauricio Kagel

September 6, 2008
Im vitalen Rausch der Taktlosigkeit
hr-Sinfonieorchester mit Kagel in Alter Oper
zib. FRANKFURT In zwei Konzerten wird das Ensemble Modern ausschließlich Stücke von Mauricio Kagel interpretieren. Der 1931 in Argentinien geborene, seit langem in Deutschland lebende Komponist steht dieses Jahr im Mittelpunkt des "Auftakt"-Festivals der Alten Oper Frankfurt. Er selbst wird die Aufführungen eigener Stücke durch das Ensemble Modern am 22. und 24. September leiten, darunter Originelles wie die "Exotica für außereuropäische Instrumente".
Wer, wie Kagel, Stücke namens "Variaktionen" oder "Märsche, den Sieg zu verfehlen" schreibt, weiß, wie sich das Ohr theatralisch verführen lässt. Das gilt selbst, wenn für Kagel nur neun Minuten Zeit bleiben. So lange dauert seine dritte, 1996 beendete Étude, mit der nicht nur die Alte Oper ihr Komponistenporträt des dabei anwesenden Kagel, sondern auch das hr-Sinfonieorchester und sein Chefdirigent Paavo Järvi ihre neue Saison eröffneten. Luftig schlugen einem in dieser Étude die vermeintlich unberechenbar verschobenen Metren aus den Reihen der bestens disponierten Bläser entgegen, der Rausch der Taktlosigkeit dieser Komposition hatte eine höchst vitale Frische. Ein knapper, aber guter Anfang eben.

Ein Anfang war dieses Abonnement-Konzert auch für den Geiger Christian Tetzlaff. Nicht in der Alten Oper, wo der 1966 in Hamburg geborene, in Bad Homburg lebende Künstler häufig aufgetreten ist. Neu aber ist für ihn die Rolle eines "Artist in Residence", wie ihn sich das hr-Sinfonieorchester seit kurzem saisonal leistet. Wie glücklich, dass man Christian Tetzlaff dafür gewinnen konnte; er wird in den kommenden Monaten bei mehreren Rundfunk-Konzerten mitwirken. Jetzt war seine Interpretation des so oft gehörten Violinkonzerts e-Moll op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy geprägt von großer Energie, von der Lust am vitalen, Phrasierungen frisch durchlebenden Musizieren, die erfreulich schnell das hr-Sinfonieorchester ansteckte. Gerade dessen Streicher wirkten füllig im Klang, aber so abstimmungsgenau, als ob man Kammermusik interpretierte. Tetzlaff bedankte sich mit der Gavotte aus Bachs dritter Violin-Partita für den Applaus.

Nach der Eröffnung des Kagel-Porträts und der Einführung von Tetzlaff als Residenz-Künstler der Rundfunk-Musiker stand noch ein dritter Anfang auf dem Programm: Das hr-Sinfonieorchester und Paavo Järvi blicken in dieser Saison besonders intensiv auf die Werke von Béla Bartók. Ein kollektiv-virtuoses Werk hat der ungarische Komponist mit seinem "Konzert für Orchester" aus dem Jahr 1943 geschrieben. Wie Järvi im "unterbrochenen Intermezzo" des vierten der fünf Sätze geschmeidig-süßliche Melodik gegen eine besonders grell überzeichnete Operetten-Parodie setzte, war nur einer von vielen höchst starken Momenten. Ein äußerst gelungener Anfang also.


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