Das Mittelalterliche der „Carmina Burana“ passt gut in die Basilika

Wiesbadener Tagblatt
25.06.2011
Axel Zibulski

Eröffnungskonzert des Rheingau Musik Festivals.
Foto: Ansgar Klostermann
RHEINGAU MUSIK FESTIVAL Eröffnungskonzert in Kloster Eberbach: Das hr-Sinfonieorchester spielt Werke von Claude Debussy und Carl Orff
Carl Orffs „Carmina Burana“ passen als freie Adaptionen mittelalterlicher Lieder ziemlich gut ins heutige Kloster Eberbach. Meist erklingt in der Basilika Sommer für Sommer Musik, die über Barock und Romantik bis zum zeitgenössischen Komponistenporträt dem Raum ästhetisch ungezwungen und dabei manchmal auch recht spannungsvoll begegnet. Denn Eberbach ist Haupt- und regelmäßig Auftaktspielstätte des Rheingau Musik Festivals, das jetzt in der Basilika, wie in den Vorjahren, vom hr-Sinfonieorchester und seinem Chefdirigenten Paavo Järvi eröffnet wurde.
In den beiden ersten Konzerten der 25. Festival-Auflage standen also (nach Claude Debussys Sinfonischen Skizzen „La Mer“) Carl Orffs ihrerseits recht freie und dabei ungezwungen ins Großformatige zielende Bearbeitungen der Lieder aus dem bayerischen Kloster Benediktbeuren auf dem Programm. Zu erwarten war eine vertiefte, bei weitem nicht bloß plakative Interpretation des gut einstündigen Werks, wie sie in der Aufführung mit dem Philharmonischen Chor Brünn, den Limburger Domsingknaben und einem vorzüglichen Solisten-Terzett auch imposant gelang.
Der rahmende, aus Funk und Fernsehen bestens bekannte und dorthin, wie das ganze Eröffnungskonzert, vom Hessischen Rundfunk rückübertragene „O-Fortuna“-Chor hatte schneidend-präzise Wucht, die eingangs in den Einsätzen der Limburger Domsingknaben aber auch die ersten Feinheiten dieser Aufführung zuließ. Orffs weltliche Mittelalter-Schau mit ihren Episoden des Tanzes, der Kneipen-Dekadenz, der Liebe schließlich war unter Paavo Järvis Leitung so kurzweilig-deutlich, so farbig, auch so musikalisch-dramatisch anschaulich zu hören wie selten. Großen Anteil hatte daran der Philharmonische Chor aus dem tschechischen Brünn, der bei allem Volumen mit höchster Beweglichkeit glänzte. Höchst weltliche Sinnesfreuden kamen in der säkularisierten Basilika wunderbar deftig zur Geltung, bis hin zum skurrilen Lied eines gebratenen Schwans, wie es Tenor Hans-Werner Bunz falsettierend und leidend-leiernd aussang.
Breiter die Aufgaben der beiden anderen Vokalsolisten: Der bis zum metallischen Attackieren hoch präsente Bariton von Jochen Kupfer bedeutete für die Aufführung ebenso einen Gewinn wie die mutig, aber rein und tragend ihre einsamen Höhen in den Liebesliedern aussingende Sopranistin Olga Peretyatko. Das hr-Sinfonieorchester durchlüftete den Orchestersatz zwischenzeitlich zum Beispiel mit lockeren Blechbläser-Einsätzen, nachdem es zuvor Claude Debussys maritime Reflexionen „La Mer“ im Gedämpften wie im Ausschwingenden eher farbschablonenhaft ausgelegt hatte. Das Publikum spendete am Ende des ersten von mehr als 150 Festival-Konzerten seinen großen, langanhaltenden Beifall bald im Stehen.

http://www.wiesbadener-tagblatt.de/region/kultur/musik/12124781.htm

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