Alina Pogostkina gibt Mozarts G-Dur ein neues Gesicht
Hamburger Abendblatt
Verena Fischer-Zernin
07/03/2014
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen begeistert mit Brahms und Haydn das Publikum in der Laeiszhalle. Es war bereits der zweite Auftritt der Saison in Hamburg.
Hamburg. Sternstunden kann man nicht planen, sie werden einem geschenkt. Den einen freilich häufiger als den anderen. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen scheint bei Euterpe, der Muse der Musik, einen Stein im Brett zu haben, zumindest was die Konzerte in der Laeiszhalle betrifft. Bei ihrem zweiten Auftritt der Saison führten die Musiker vor, wie atemberaubend man eine Brahms-Sinfonie spielen kann: Chefdirigent Paavo Järvi kam herein, holte aus, und schon flogen dem Hörer die trockenen Paukenschläge der Einleitungstakte von Brahms' Erster um die Ohren, als hätte das Jüngste Gericht begonnen. Diese schier unausweichliche Spannung sollte die ganze Sinfonie hindurch anhalten.
Beethoven lässt grüßen
http://www.abendblatt.de/kultur-live/article125525297/Alina-Pogostkina-gibt-Mozarts-G-Dur-ein-neues-Gesicht.html
Verena Fischer-Zernin
07/03/2014
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen begeistert mit Brahms und Haydn das Publikum in der Laeiszhalle. Es war bereits der zweite Auftritt der Saison in Hamburg.
Hamburg. Sternstunden kann man nicht planen, sie werden einem geschenkt. Den einen freilich häufiger als den anderen. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen scheint bei Euterpe, der Muse der Musik, einen Stein im Brett zu haben, zumindest was die Konzerte in der Laeiszhalle betrifft. Bei ihrem zweiten Auftritt der Saison führten die Musiker vor, wie atemberaubend man eine Brahms-Sinfonie spielen kann: Chefdirigent Paavo Järvi kam herein, holte aus, und schon flogen dem Hörer die trockenen Paukenschläge der Einleitungstakte von Brahms' Erster um die Ohren, als hätte das Jüngste Gericht begonnen. Diese schier unausweichliche Spannung sollte die ganze Sinfonie hindurch anhalten.
Aber was heißt hier überhaupt Sinfonie?
Järvi ließ Szenen, Licht, Stimmungen derart dramatisch wechseln, als
ereignete sich das Stück auf der Opernbühne. Wie Raubtiere krochen die
Bässe pianissimo durchs Unterholz, und die Geigen waren sich in
Bogeneinteilung und dosiertem Vibratogebrauch so einig, dass selbst
einfache Dreiklänge schwärmerische Süße entfalteten. Es war geradezu zum
Anfassen, wie die einzelnen Stimmen miteinander Kammermusik machten,
besonders der Klarinettist Matthew Hunt und die Horngruppe um Elke
Schulze Höckelmann. Nur der Ton der Oboen war ein wenig arg hell und
scharf.
Die Erschütterungen, die
Brahms an diesem Abend auslöste, verdankte er der Risikobereitschaft der
Beteiligten, bei Ausdruck, Artikulation und Tempi an Grenzen zu gehen.
Järvi ließ die sogenannten langsamen Sätze federn, statt dem bei Brahms
so verbreiteten nordisch-schwerblütigen Duktus zu verfallen. Abgründig
und tiefernst geriet die Musik gerade wegen der Unerbittlichkeit von
Puls und Rhythmus.
Beethoven lässt grüßen
Anrührend auch, wie
leichtfüßig diese Lesart sich in die Tradition der Klassiker stellte –
Beethoven ließ ohnehin grüßen, aber auch Haydn, mit dessen
"Militär-Sinfonie" das Konzert begann. Witz und Tragik wechselten hier,
typisch Haydn, bruchlos ab. Nadelscharf flitzten die Achteltriolen; dass
selten mal etwas wackelte, war bei den Tempi in einer Livesituation
nicht nur zu verschmerzen, es war schlicht unerheblich. Und mit dem
Auftritt dreier osmanischer Militärmusiker mit Schnauzer und
Lametta-Pferdeschwanz, die mit Becken, Triangel und großer Trommel die
Militärmusik zum zweiten Satz beisteuerten, war die Aschermittwochsparty
perfekt.
Das Herz des Abends aber war
Mozarts G-Dur-Violinkonzert mit der Solistin Alina Pogostkina. Das Stück
gilt sonst als kleiner, nicht ganz ernst zu nehmender Bruder der
Schwesterwerke in A-Dur und D-Dur. Doch hier hatte es vom ersten Takt
ein völlig anderes Gesicht.
Während der Einleitung rockte
Pogostkina dezent mit den einzelnen Stimmen mit und strahlte dabei wie
ein Kind. Ihr erster Einsatz war weder geschmachtet noch brachial.
Pogostkina setzte die Töne ihres Themas so schlicht und gezielt wie
Worte, übrigens mit klassischem Bogen und auch sonst mühelos stilrein.
Allein die frechen kurzen Vorschläge! Und wie Solistin und Orchester
aufeinander eingingen, das konnte einen zu Tränen rühren.
Der Beifall für diese
außerordentliche Leistung war so zurückhaltend, dass man sich kurz ein
bisschen wunderte. Da musste Pogostkina erst in die Trickkiste greifen
und die berühmte 24. Paganini-Caprice zugeben, nicht immer ganz
blitzsauber, aber überaus geistreich und schlank musiziert, bis das
Publikum überzeugt war. Ovationen.
http://www.abendblatt.de/kultur-live/article125525297/Alina-Pogostkina-gibt-Mozarts-G-Dur-ein-neues-Gesicht.html
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