Orchestre de Paris in Dortmund

WA.de
Edda Breski
22.03.2015

Edvard Grieg hat nur ein Instrumentalkonzert geschrieben, das 1869 uraufgeführte a-moll-Klavierkonzert. Es umspannt einen Ausdrucksbogen von nordischem Tanz bis zum Bombast im Finale, der rachmaninowsche Dimensionen erreichen kann
Der Dirigent Paavo Järvi
© Ixi Chen
Der Dirigent Paavo Järvi
Im Konzerthaus Dortmund spielte Khatia Buniatishvili mit dem Orchestre de Paris unter Paavo Järvi das Konzert lyrisch und warm, mit einer selbstversunkenen Sehnsuchtsstimmung, die sie klar und sensibel bis in jeden Winkel ihrer Partie durchhielt. Sie kann zwar auch die Pranke auspacken, etwa in der Kadenz des ersten Satzes, den sie mit Theaterdonner auflud. Danach wirkte der nordisch kühle Einsatz der Streicher, als käme er aus einer anderen Welt. Auch das Finale spielte sie aufgeladen, kam allerdings nicht mehr gegen das Orchester an, dem Paavo Järvi zum Schluss die Zügel lockerließ. Es begegneten sich zwei Ideen, nicht immer so reibungsvoll und inspirierend wie kurz vor der Generalpause in der Coda, als Buniatishvili und das Orchester sich gegenseitig aufpeitschten.
Järvi verordnete dem Orchesterpart eine Frischekur. Er ist ein akribischer Klangarbeiter, der sorgfältig auf einen durchgeformten, plastischen Klang und auf die Balance zwischen den Instrumentengruppen achtet. Jeder Stimmgruppe forderte er maximalen Einsatz ab. Vor allem die Bratschen holte er wiederholt nach vorne, um für einen starken Mittelbau in der Klangarchitektur zu sorgen. Dabei vibrierte jede Phrase. Järvi verlangte eigentlich zu viel Energie für das sensible Spiel Buniatishvilis. Das Orchester deckte das Klavier häufig zu. Wenn die Abstimmung stimmte, kam es zu so herrlichen Momenten wie am Ende des Adagios, als Buniatishvilis einen Diskanttriller verhauchen ließ und das Solohorn mit weichstem Ansatz antwortete. Starker Applaus für eine Solistin, die ihre Virtuosität nie zum Selbstzweck werden ließ, und für einen Dirigenten, der mit seinem Orchester für emotionale Hochspannung sorgte.
Paavo Järvi ist seit fünf Jahren Chefdirigent des Orchestre de Paris. Er arbeitet mit den Musikern an einem ausgesprochen plastischen Klang, der Fülle mit Transparenz vereint. Durch aufgeladene Linien wird das Musizieren emphatisch, aber nicht überbordend; das verhindert der gelernte Schlagzeuger Järvi durch strenge Rhythmuskontrolle. Das war in Dortmund zu hören in Schumanns Genoveva-Ouvertüre, die gleichsam grafisch dargestellt wurde, mit fein gezeichneten Streicherlinien, die unter fortschreitender unruhiger Entwicklung immer nervöser und breitstrichiger wurden.
Tschaikowsky hat seiner fünften Sinfonie selbst ein Schicksalsthema zugeschrieben, das bis in den Schlusssatz als eine Art idée fixe auftaucht und letztlich auch nicht besiegt oder überwunden wird. Järvi setzte die Musik unter Spannung, über alle wechelnden Ideen und Kontraste hinweg. Das Hauptthema des Kopfsatzes befreit sich nie ganz, das arbeitete Järvi heraus, indem er nach Tschaikowskys Vorgaben die Lautstärke variierte. So entstand eine starke Spannung zwischen den Themen des Satzes. Zugleich blieb der Klang beweglich, weil Järvi wieder auf eine Balance zwischen den Instrumentengruppen achtete und besonders den Bratschen mehr Präsenz und mehr Leidenschaft abverlangte.
Im zweiten Satz entwickelte sich kein melodisches Fließen, sondern eher eine Folge energetischer Ausschläge. Es gab einen erlösenden Kontrast, als die Violinen das Thema übernahmen, aber sofort drängte sich alles wieder zusammen. Nichts zu hören von Sentimentalität. Der dritte Satz war ein erleicherndes Intermezzo mit gelegentlich flatterhafter Lustigkeit; die gestopften Hörner mahnten vorsichtig dazwischen. Das Finale ließ Järvi feierlich streng spielen, rhythmisch gezügelt, ohne aber zu langsam zu werden, bis zum Herzschlagfinale.

http://www.wa.de/nachrichten/kultur/nrw/orchestre-paris-dortmund-4842032.html

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