Henri Dutilleux

BR klassik
Fridemann Leipold
19/02/2015
 2013 starb der französische Klangmagier Henri Dutilleux in Paris – er wurde 97 Jahre alt. Trotz dieser langen Lebensspanne blieb sein Werkkatalog vergleichweise schmal. Umso ausgefeilter, fantasievoller und exquisiter wirkt jede einzelne Partitur von Dutilleux. Generationenmäßig steht Dutilleux zwischen Olivier Messiaen und Pierre Boulez. Auch wenn sein flamboyanter Stil unverkennbar "französisch" anmutet, entwickelte Dutilleux doch eine ganz eigene, ungemein klangsinnliche Tonsprache.

Eine traumverlorene nächtliche Atmosphäre beschwört Henri Dutilleux schon in seiner Ersten Symphonie, die noch klassisch viersätzig angelegt ist. Die Uraufführung 1951 beim französischen Rundfunk bescherte Dutilleux den Durchbruch. Dass in diesem frühen Geniestreich aber auch vibrierende Motorik steckt, beweist Paavo Järvi am Pult des Orchestre de Paris mit atemberaubender Prägnanz und federndem Drive.

Fülle von Gesten auf engstem Raum

Musik von glühender Farbigkeit hat Dutilleux geschrieben, schönheitstrunken wie schwerer Duft oder dunkler Samt. Das gilt auch für sein Violin-Nocturne "Sur le même accord", das Dutilleux 2002 für Anne-Sophie Mutter komponierte. Das auf einem Sechstonakkord aufgebaute Poem ist ein Meisterstück an Verdichtung, bietet es doch auf engstem Raum eine Fülle von Gesten – und dem Solisten dankbare Kantilenen. In der aktuellen Aufnahme ist es der souveräne Geiger Christian Tetzlaff.

Vegetativ wuchernd

Das zentrale Werk auf Paavo Järvis Dutilleux-Album ist "Métaboles", 1965 von George Szell und seinem Cleveland Orchestra uraufgeführt. Der Titel stammt aus der Rhetorik und steht für raschen Wechsel in Stilistik, Syntax oder Rhythmus, in der Chemie bezeichnet der Begriff Metabolismus den Stoffwechsel. Und das trifft den kontrastreichen, vegetativ wuchernden Stil von "Métaboles" genau, der einmal mehr Dutilleux‘ Vorliebe für variative Formen widerspiegelt. Sogar swingende Jazz-Elemente à la Strawinsky findet man darin.

Raffinierteste Metamorphosen

Mit schneidender Präzision lässt Paavo Järvi seine fabelhaften Musiker vom Orchestre de Paris agieren, die mit Dutilleux‘ Idiom hörbar vertraut sind. "Métaboles" ist eben auch eine Art "Konzert für Orchester", das in seinen fünf Sätzen die verschiedenen Instrumentalgruppen brillant herausstellt. Nach raffiniertesten Metamorphosen führt Järvi mit gekonnter Hand alle Klangfarben zu einem gleißenden Finale zusammen und rundet diese imponierende Dutilleux-Werkschau damit prachtvoll ab.

http://www.br.de/radio/br-klassik/sendungen/leporello/cd-tipp-dutilleux-orchesterwerke-jaervi100.html

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