Ein Konzertabend für Alle und Keinen mit den Wiener Symphonikern und Paavo Järvi


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Simon Haasis
25/04/2016

Neue Musik hat es nicht immer leicht; das ist eine traurige Wahrheit. Dennoch hat sich vor allem das Wiener Konzerthaus den Ruf erworben, neuer Musik eine Chance zu geben – zeugt nicht zuletzt das Festival Wien Modern. Auch die Wiener Symphoniker, eines der vier Wiener Orchester, teilen diese Leidenschaft und haben gemeinsam mit dem Orchestre de Paris und der Philharmonie de Paris bei Erkki-Sven Tüür ein Konzertstück bestellt.

Sow the wind..., das 2015 geschrieben wurde, ist nach Angaben des Komponisten, der selbst zugegen war, nach seiner vektoriellen Methode komponiert. Was dies bedeutet, erläutert er im Programmheft wie folgt: „Es ist eine Art der Stimmführung im weiteren Sinne, die Projektionen von Vektoren in verschiedene Richtungen folgt. Zur gleichen Zeit folgt das Basismaterial einem bestimmten numerischen Code, ähnlich einer genetischen Entwicklung, die die ganze Komposition mit all ihren Mutationen und Transformationen formt. Diese Technik erlaubt es mir, eine viel größere harmonische Bandbreite zu erreichen.“

Tatsächlich ist die Komposition von einem ständigen Werden und Vergehen geprägt, vor allem aber durch eine sublime Instrumentation. So erwächst aus einem kleinen Wind der virtuos gespielten Klarinetten über Englischhorn und Oboe ein Sturm in den vielfach unterteilten Streichern, der die gesamte Komposition durchzieht. Neben reichem Schlagwerkeinsatz ist auch auf ein Duett zwischen Bassklarinette und Tuba zu verweisen, das von beiden Solisten mit viel Charakter vorgetragen wurde.

War diese österreichische Erstaufführung genau im richtigen Raum angesiedelt, so verpufft viel Effekt beim Jeunehomme-Konzert (Klavierkonzert in Es-Dur, KV271) von Wolfgang Amadé Mozart buchstäblich in der Luft des großen Saales. Das delikate Zusammenspiel zwischen dem Solisten Lars Vogt und den Symphonikern, welches sie bereits beim ersten Solo-Einsatz in der Einleitung des Sonatensatzes unter Beweis stellten, vermochte nicht raumgreifend zu wirken. Zum rauschenden Bacchanal hingegen wurde vor allem das berühmte Rondo, ein rasendes Rondo, welches von Vogt sehr lebhaft und mit sublimer Virtuosität gespielt wurde. Bemerkt werden darf, dass auch hier Orchester und Solist als sicher eingespielte Partner wirkten und Paavo Järvi allem akustischen Unbill zum Trotz eine spannende und präzise Interpretation gestaltete.

Die 22 einführenden Takte aus Richard Strauss' Tondichtung Also sprach Zarathustra sind spätestens seit Stanley Kubrik nicht mehr aus den Annalen der Musikgeschichte wegzudenken. Leider gerieten sie Järvi an diesem Abend etwas zu rauschhaft und auch etwas zu laut; das berühmte Paukensolo hingegen hätte etwas mehr Mut zum Ausdruck gut vertragen. Dagegen überzeugte vollkommen der zweite Satz Von den Hinterweltlern, der von puristischer Zurücknahme geprägt war.

Das satirische Moment kam dabei zur vollen Ausprägung, was durch die sicher gespielten Hornrufe „Credo in unum deum“ unterstrichen wurde. Auch die feine Kantilene überzeugte durch saubere Intonation. Nach einem kleinen Einsatzwackler in der Fuge Von der Wissenschaft gelang vor allem die Darbietung des Tanzlieds wohl am überzeugendsten. Nicht nur das Violinsolo war mit viel Verständnis für die Faktur der Musik vorgetragen, sondern auch das Tempo treffsicher gewählt, sodass die Rauschhaftigkeit dieses ersten großen Richard Strauss-Walzers zum Tragen kommen konnte.

https://bachtrack.com/de_DE/kritik-wiener-symphoniker-paavo-jaervi-lars-vogt-konzerthaus-wien-april-2016

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