Die Ausgeruhten und die Standfeste

fr.de
Judith von Sternburg
8.12.2017




Paavo Järvi und Viktoria Mullova mit der Kammerphilharmonie Bremen in Frankfurt.

Das „Waldweben“ aus Richard Wagners „Siegfried“ separat zu präsentieren, ist beliebt, aber sonderbar. Das liegt nicht nur daran, dass sich die Musik in den Raum mogelt, und zwar erst recht, wenn Paavo Järvi dirigiert, ein Mann, der sich umdreht und anfängt in praktisch einer Bewegung. Es liegt auch daran, dass in der Oper für alle Beteiligten zehrende Ereignisse vorausgehen, die nun in einer Phase des Friedens und der Entspannung nachklingen, wohingegen ein Konzertpublikum am Anfang vielleicht in Schwung gebracht werden will.

Dazu sind Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen so ausgeruht und quick, dass das, was sonst mit letzter Kraft aus dem Graben säuselt und wabert, auf der Bühne der Alten Oper Frankfurt fast schon zu exakt auf den Punkt kommt. Es ist ein Phänomen, dass bei Wagner die Anstrengung der Akteure und ihre Überwindung durch übermenschliche Leistungen gerne zu hören sein darf.

Dafür passt der Anfang auf diese Weise gut zum zweiten Teil des Abends: Johannes Brahms’ 4. Sinfonie wird von Järvi wiederum dermaßen aus einem Guss geformt, in satz- und am Ende mehr als satzlangen Bögen, dass die Atmosphäre des Waldwebens nicht so weit weg zu sein scheint. Die Strukturen lösen sich so weit im Ganzen auf, von informeller Musik könnte man vor allem im 1. Satz sprechen, wenn es den Begriff gäbe. Järvis Umgang mit Brahms’ Musik ist dabei elegant und leicht. Eine wohltuende Beiläufigkeit begleitet das im Konzertsaal auch in diesen Monaten schon sehr häufig reproduzierte Geschehen. Mit der Kammerphilharmonie Bremen, die er seit 2004 leitet, ist Järvi so vertraut, dass manchmal einladende Gesten ausreichen, um die Dinge in die gewünschte Richtung zu lenken.

Im Mittelteil zeigt sich Sergej Prokofjews 2. Violinkonzert von anderer Sperrig- und Ruppigkeit, Musik aus einer im Jahr 1935 auch deutlich veränderten Welt. Viktoria Mullova, mit Notenpult und hochkonzentriert, ist eine wunderbare Solistin dafür, deren gediegene Ruhe, vorbildliche Haltung und unexaltierte Virtuosität die verwirrte Hörerin sicher durch die Untiefen des Werks steuern. Wo es im Mittelsatz süß werden könnte, wird es bei Mullova geheimnisvoll. Als Zugabe spielt sie ein Solostück ihres Sohnes Misha Mullov-Abbado, die Geigerin auch hierbei standfest in den Turbulenzen vertrackter Rhythmen.

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