Knackiger Beethoven, göttlicher Bach
welt.de
Peter Krause
Die gestische Musik des Wahlwieners aus Bonn gehört zur DNA des estnischen Dirigenten. Allzu gern lädt er seinen Beethoven in präziser Artikulation mit straffen Tempi auf. Klassikfreunde kennen und schätzen Järvis entschiedenen Zugriff aus vielen Konzerten mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Der Vergleich mit einem großen Orchester aus London ist apart. Denn die Grundhaltung seiner Interpretation hat sich nicht verändert. Der stürmisch drängende Duktus stellt sich sofort ein. Die exquisiten Streicher des Philharmonia Orchestra aber demonstrieren ihre klangkulinarische Qualität allzu gern. Sie lassen sich zwar auf ein vibratoreduziertes Spiel ein, wissen dabei aber üppig zu blühen. Da sind Järvis Bremer im Vergleich das Orchester mit dem rhetorischeren Spieltrieb.
Es folgt der Auftritt der Stargeigerin Hilary Hahn als Solistin in Sergej Prokofjews Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur. Als eine der klügsten Geigerinnen muss sich die Amerikanerin in keinem Moment in den Vordergrund stellen. Gemeinsam mit Järvi sorgt Hahn für die wache Verzahnung mit dem Orchestersatz. Herrlich abgestimmt ist der auf Schostakowitsch vorausweisende ruppige Wahnsinn des Werks, fein ausgehört sind die Dialoge zwischen Solovioline und Flöte. Das Flüstern, das Singen und Meckern, das Hilary Hahn auf ihrem wunderbar tragfähigen Instrument wagt, rührt das Hörerherz direkt. Ihr Ton hat eine drahtige Körperlichkeit, sie spinnt unendliche Melodien, die Intonation der vertrackten Doppelgriffe gerät traumwandlerisch sicher. In der Elbphilharmonie gewinnt ihr Spiel magische Präsenz. Eine Zaubergeigerin verführt das Publikum. Und verschenkt als Zugabe ein Bach-Andante in göttlich entschleunigter Innerlichkeit. Damit ist an diesem Abend eigentlich alles gesagt.
Doch nach der Pause steht ja noch Sergej Rachmaninows Sinfonie Nr. 2 e-Moll mit ihrem spätromantischen Schwulst auf dem Programm. Das ist Musik, die wir so gar nicht mit Paavo Järvi in Verbindung bringen. Das Philharmonia Orchestra bedient die filmmusikalischen Qualitäten der Komposition mit Saft und Kraft. Nimmt Järvi so ganz ernst, was er da auf dem Dirigentenpult liegen hat? Das tut er sehr wohl, denn er federt das sinfonische Schmachten mit orchestraler Eleganz ab, zieht die Tempi an, bremst den Kitsch aus. Eine weise Entscheidung.
Peter Krause
01.02.2019
Elbphilharmonie: Das Philharmonia Orchestra London unter Paavo Järvi mit Zaubergeigerin Hilary Hahn
Erdig und urgewaltig dringen die drei ersten langgezogenen Orchesterschläge aus den Tiefen dieses imposanten Klangkörpers. Um ihre machtvolle Wirkung fast unmerklich zu steigern, spornt Paavo Järvi das Philharmonia Orchestra an, auf jedem Schlag noch ein intensivierendes Crescendo zu wagen. So lernen wir den trotzigen römischen Kriegsherrn Coriolan ohne Umschweife kennen, dem Beethoven mit seiner Schauspielouvertüre ein wuchtiges Denkmal gesetzt hat. In diesen prallen zehn Minuten Musik, mit denen Järvi sein Gastspiel in der Elbphilharmonie eröffnet, ist der Maestro so ganz in seinem Element.Die gestische Musik des Wahlwieners aus Bonn gehört zur DNA des estnischen Dirigenten. Allzu gern lädt er seinen Beethoven in präziser Artikulation mit straffen Tempi auf. Klassikfreunde kennen und schätzen Järvis entschiedenen Zugriff aus vielen Konzerten mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Der Vergleich mit einem großen Orchester aus London ist apart. Denn die Grundhaltung seiner Interpretation hat sich nicht verändert. Der stürmisch drängende Duktus stellt sich sofort ein. Die exquisiten Streicher des Philharmonia Orchestra aber demonstrieren ihre klangkulinarische Qualität allzu gern. Sie lassen sich zwar auf ein vibratoreduziertes Spiel ein, wissen dabei aber üppig zu blühen. Da sind Järvis Bremer im Vergleich das Orchester mit dem rhetorischeren Spieltrieb.
Es folgt der Auftritt der Stargeigerin Hilary Hahn als Solistin in Sergej Prokofjews Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur. Als eine der klügsten Geigerinnen muss sich die Amerikanerin in keinem Moment in den Vordergrund stellen. Gemeinsam mit Järvi sorgt Hahn für die wache Verzahnung mit dem Orchestersatz. Herrlich abgestimmt ist der auf Schostakowitsch vorausweisende ruppige Wahnsinn des Werks, fein ausgehört sind die Dialoge zwischen Solovioline und Flöte. Das Flüstern, das Singen und Meckern, das Hilary Hahn auf ihrem wunderbar tragfähigen Instrument wagt, rührt das Hörerherz direkt. Ihr Ton hat eine drahtige Körperlichkeit, sie spinnt unendliche Melodien, die Intonation der vertrackten Doppelgriffe gerät traumwandlerisch sicher. In der Elbphilharmonie gewinnt ihr Spiel magische Präsenz. Eine Zaubergeigerin verführt das Publikum. Und verschenkt als Zugabe ein Bach-Andante in göttlich entschleunigter Innerlichkeit. Damit ist an diesem Abend eigentlich alles gesagt.
Doch nach der Pause steht ja noch Sergej Rachmaninows Sinfonie Nr. 2 e-Moll mit ihrem spätromantischen Schwulst auf dem Programm. Das ist Musik, die wir so gar nicht mit Paavo Järvi in Verbindung bringen. Das Philharmonia Orchestra bedient die filmmusikalischen Qualitäten der Komposition mit Saft und Kraft. Nimmt Järvi so ganz ernst, was er da auf dem Dirigentenpult liegen hat? Das tut er sehr wohl, denn er federt das sinfonische Schmachten mit orchestraler Eleganz ab, zieht die Tempi an, bremst den Kitsch aus. Eine weise Entscheidung.
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