Wenn auch Musizierfreude ansteckend werden kann

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27.06.2021
Von Elke Tober-Vog

Zwei wahre Meister ihres Faches brillierten beim Kissinger Sommer. Igor Levit mit seinen vibrierenden Fingerspitzen und Paavo Järvi, der seinen Musikern viel Freiraum lässt.


Järvi Paavo dirigierte die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen beim Kissinger Sommer zu romantischen Höhenflügen. /  Foto: Sonja Werner

Mit einem hinreißend interpretierten Schostakowitsch-Walzer setzte der Pianist Igor Levit ein I-Tüpfelchen besonderer Art auf seinen umjubelten Auftritt beim Kissinger Sommer: Im ersten von zwei am selben Abend gespielten Konzerten mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter Paavo Järvi lieferte er damit eine Zugabe, der man angesichts ihrer bezaubernden Ironie, tastenden Pikanterie und neu entdeckten Facetten ein Alleinstellungsmerkmal bescheinigen kann.
Romantische Höhenflüge

Begonnen hatte der Abend, der unter dem Motto "Romantische Höhenflüge" stand, mit Ludwig van Beethovens Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur. In einem engen Kontaktgeflecht zwischen dem Solisten, Dirigent und Orchester vollzog sich hier ein musikalisches Ereignis aus einem Guss. Järvi und Levit verstehen sich, das merkte man nicht nur an perfekten Einsätzen und organisch entwickelten Übergängen. Gemeinsames Atmen und Schwingen waren angesagt, und das äußerst aufmerksame, einsatzfreudige und bestechend gut harmonierende Orchester vollendete diesen Eindruck der Vollkommenheit.

Igor Levit ist ein Meister, egal ob man seine technische Brillanz betrachtet, seine Tonbildung und Farbgebung, seine interpretatorische Konzeption, die auf einer aus tiefstem Inneren kommenden musikalischen Vorstellung beruht. Dass er voller Musik und Spielfreude ist, merkte man in jeder Sekunde, sei es an in der Luft vibrierenden Fingerspitzen, sei es am Hineinlehnen ins Orchester. Und Järvi? Der konnte seine Musiker einfach das sein lassen, was sie sind: Profis, mit denen er auf höchster Ebene interagiert.

Den Geist der Musik vermitteln

Und so lieferte der Dirigent ein Musterbeispiel dessen, was er auf Meisterkursen an Jüngere weitergibt: Nicht das Taktschlagen und wörtliche Umsetzen der Partitur sind auf diesem Niveau gefragt; vielmehr gilt es den Geist der Musik zu vermitteln, Impulse zu setzen, die Musik in Bewegung zu halten. Er genoss es sichtlich, mit Igor Strawinskys Suite aus dem Ballett "Pulcinella" ein Arsenal an Opulenz und Farbenpracht zu zünden. Järvi und sein Orchester spürten Pointen auf, überzeichneten die vielen kleinen Gesten musikalischen Witzes, gingen in kammermusikalische Details. Weich das Dirigat für die Pastelltöne der Serenata, ungestüm die Tarantella – Järvi spielte locker und absolut souverän mit Musikern und Publikum.

Mit der kristallklar und hochvirtuos gespielten Beethoven-Ouvertüre "Die Geschöpfe des Prometheus" als Zugabe schloss ein Konzert jenseits von Routine, dafür voll ansteckender Musizierfreude und -lust.

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