Rückkehr in die Tonhalle Zürich: Der alte Raum fordert die Musiker neu heraus

 Neue Zürcher Zeitung

Christian Wildhagen

05.11.2021

Photo credit: Gaetan Bally 








Rückkehr in die Tonhalle Zürich: Der alte Raum fordert die Musiker neu heraus


Kaum war in Hamburg die Elbphilharmonie eröffnet, verbunden mit dem schon im Vorfeld hinausposaunten Versprechen, dass hier einer der zehn besten Konzertsäle der Welt entstanden sei, da schüttete der Akustik-Designer des Hauses ein bisschen Wasser in den Festtagswein. Yasuhisa Toyota, mittlerweile rund um den Globus gefragt, wo immer es Konzertsäle zu gestalten gilt (zuletzt in München), wies in seiner charakteristisch leisen Art darauf hin, dass der neue Saal nunmehr Zeit brauche: Zeit, um zu reifen.

Konkret meinte er die Trocknung des noch frischen Holzfussbodens, die nach einigen Monaten zu mehr Wärme im Klang führe; er meinte aber ebenso die Gewöhnung der Künstler an den Raum, verbunden mit einer allmählichen Adaption des Spielbetriebs an dessen Eigenheiten. Nach demnächst fünf Jahren Erfahrung – Mitte Januar ist das erste «Elphi»-Jubiläum – kann man feststellen: Ja, dieser Anpassungsprozess hat stattgefunden und mit der Zeit tatsächlich zu einem ausgewogeneren Klangerlebnis geführt. In Zürich steht ein sehr ähnlicher Prozess nun bei der historischen Tonhalle ins Haus – das zeigten die ersten regulären Sinfoniekonzerte unter der Leitung des Musikdirektors Paavo Järvi im frisch sanierten Saal.

Lasst die Töne atmen!

Das Tonhalle-Orchester ist nämlich mitnichten in einen altbekannten Raum zurückgekehrt, in dem man bloss die Instrumente auspacken muss und loslegen kann. So wie der optische Eindruck der architektonisch scheinbar unveränderten Prachtstube viele Verschönerungen erst bei näherem Hinsehen offenbart, hält auch die Akustik einige Überraschungen parat. Das kommt nicht unerwartet, denn neben einer gründlichen Reinigung aller reflektierenden Flächen, die sich positiv auf das jetzt deutlich reichere Obertonspektrum auswirkt, hat man dem Saal ebenfalls einen neuen Fussboden – nun wieder schwingend aufgehängt – sowie ein niedrigeres Konzertpodium spendiert.

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