Spitzenensemble in der Elbphilharmonie


Hamburger Abendblatt 

12.11.2022

Spitzenensemble in der Elbphilharmonie

Gleich dreimal zu Gast:

das Tonhalle-Orchester Zürich unter Paavo Järvi

Hamburg. Drei Konzerte an drei aufeinan- derfolgenden Tagen, mit einem Spitzenen- semble wie dem Tonhalle-Orchester Zü- rich unter Leitung seines Music Directors Paavo Järvi in der Elbphilharmonie sind schon etwas Besonderes: In den ersten beiden Konzerten mit je einer Bruckner- Sinfonie im Programm, beim dritten Ter- min wurde Fazil Say als Solist in Mozarts Klavierkonzert KV 488 mit Bruckners Dritter als Abschluss kombiniert.

Järvis Bruckner-Dirigate haben einen ganz eigenen Charakter. Nichts entgleitet ihm in die Breite, die langen Steigerungen werden konsequent und stringent vorbe- reitet, er vermeidet jede allzu starke Über- treibung in Dynamik und Klangbalance. Es herrscht ein organischer Fluss im Auf- bau vor, eine subtile Abstufung der Klang- schichten und ein sicheres Gefühl für die- sen einzigartigen Zauber, den nur Bruck- ner zu erzeugen imstande ist. Für jedes Or- chester, mit dem Järvi Bruckner spielt, ist es ein Genuss, wie er Klanggruppen und Soli immer wieder anders hervortreten lässt und in die wechselnden Umfelder einpasst. Man atmet beim Zuhören mit den Musikerinnen und Musikern und dem Dirigenten mit, der gar nicht so viel Gestik und Bewegung benötigt, um die ge- wünschten Resultate zu erzielen.

Für das erste Konzert hatte er für den ers- ten Teil ein Messiaen-Frühwerk, dessen Or- chesterwerk „L’ascension / Quatre médita- tions symphoniques“ ausgewählt, das klanglich und strukturell eine große Nähe zu Bruckners Sinfonik hat. Die hymni- schen, fast choralartigen Blechbläsersätze zu Beginn wogen auf und ab und die gro- ßen Pausen, die unglaubliche Ruhe aus- strahlten, verbreiteten andachtsvolle Stim- mung. Mal führte die erste Trompete, schwieg dann aber sogleich wieder und übergab an die zweite und dritte Trompete, während die Holzbläser die melodischen Linien schlicht untermalten. Im zweiten Satz dominierten die Holzbläser mit einer schreckhaft aufstrebenden Figur des Eng- lischhorns und der Flöten und erst jetzt mischten sich die Streicher des fantasti- schen Orchesters dazwischen. Im aggressi- veren, rhythmisch weit krauseren dritten Satz sorgte Järvi für große Klarheit, wäh- rend die Pauken und das Schlagwerk zum kantablen Streicher-Epilog überleiteten, bei dem Järvi die Vibrati mit einem Zittern des ganzen Körpers immer emphatischer herausforderte und hervortreten ließ.

In Bruckners Sechster kam der Kopf- satz ziemlich rasch in Fahrt, alles erschien viel kleinteiliger aufgebaut als gewohnt. Järvi und sein Orchester gewannen den leisesten Adagio-Stellen und dem Mittel- teil des Scherzos, bei dem man fast die Oh- ren spitzen musste, um sie noch wahrzu- nehmen, etwas Geheimnisvolles ab. Man- ches wirkte so zerbrechlich und empfind- lich, dass die angebliche Monumentalität der Bruckner’schen Klangwelt in sich zu versinken drohte. Das Finale aber hatte wieder etwas Triumphales, ja Aufbegeh- rendes. Der täuschende Abbruch kurz vor dem strahlenden Ende entfaltete eine un- geheure Wirkung. hpe

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