Anton Bruckner 9. Sinfonie Tonhalle-Orchester Zürich, Paavo Järvi

Rondo
Manuel Brug
31.08.2024

Sinfonisches aus dem Hause Anton Bruckner gibt es gegenwärtig in Menge auf dem Novitätentisch – klar, es geht zum Endspurt auf den 200. Geburtstag am 4. September zu. Und mit letzten Dingen ist auch das in dieser Hinsicht ebenfalls fleißige Orchester der Tonhalle Zürich unter seinem gegenwärtigen Chef Paavo Järvi mit dabei. Der legt nun, nach der 7. und 8., die drei Sätze der unvollendeten 9. Sinfonie d-Moll vor – nach einem kompletten Zyklus in den Zweitausenderjahren mit seinem damaligen hr-Sinfonieorchester.

Und wie auch schon bei den hessischen Vorgängern gilt: Es ist kein sachlich ruhiger und auch kein abgeklärt salbungsvoller, kein oberflächenglänzender und kein philosophischer Zugang, so wie ihn der eine oder andere Stabkollege versucht. Paavo Järvig mag es bissfest, mit Drama, Baby. Es soll vollsatt klingen, durchaus schneidig auftrumpfen, er legt gern Strukturen frei und klar, und füllt sie dann mit schönem, runden Tonleben. Ein fast barocker Zugriff, patent, ehrlich, ohne Drumherum. Und natürlich kann er die Balance zwischen großer Form und Detail, wunderbar organisch wölbt sich das Blech aus der Klangmitte des gut aufgelegten Orchesters.
Wie schon bei seiner 2008er-Version verzichtet Järvi auf pathetische Zuspitzungen, baut diese famous last Bruckner words mit ruhigem Grundpuls, konsequent bis in die erlösenden, in gefasster Transzendenz herrlich schwerelosen Schlusstakte des Adagios hinein. Vorher arbeitet er im ersten Satz zielstrebig auf den sehr späten Eintritt des Hauptthemas hin. Das Scherzo hat Wendigkeit, Kraft, ja atmet sogar Gewalt. Und schließlich ist Paavo Järvi vier Minuten schneller als früher. So geht eben spätromantisch wissendes, aufgeklärtes Dirigieren – wenn man es kann.

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