October 10, 2008
Beethoven mit Järvi und der Kammerphilharmonie: eine Traum-Konstellation, bei der die Beteiligten gegenseitig das Beste aus sich herausholen, gegründet auf beiderseits mehr als zwanzigjähriger Erfahrung mit Beethovens Sinfonien. Auch wenn man erwähnen sollte, daß das Orchester in seiner Vergangenheit auch unter Dirigenten wie Daniel Harding, Thomas Hengelbrock oder Heinrich Schiff kaum weniger überzeugende Beethoven-Aufführungen gespielt hat – so bestürzend werden Beethovens Utopien nur selten in Klang realisiert. Bei peinlichster Beachtung der Details, größtem Kontrastreichtum und sorgsam kontrollierter Balance klingt doch alles spontan. Die Fünfte ist kompromisslos, ganz Revolution; die Dramatik ihres Kopfsatzes trägt sogar noch in die hier nachfolgende Erste hinein. Umso frischer und kühner klingt auch dieses Werk, mit dem Beethoven im April 1800 die Bühne der Sinfonik betrat. Das Orchester musiziert historisch informiert auf teils neuen, teils alten Instrumenten (Naturtrompeten, eng mensurierte Posaunen, historische Pauken, bei den Streichern teilweise umsponnene Darmsaiten). Auch der Klang dieser Hybrid-SACD ist fantastisch: Selten sind so natürlich wirkende, räumliche Produktionen zu hören; das Orchester klingt live nicht anders, wie der Rezensent aus dem Erlebnis vieler Konzerte mit der Kammerphilharmonie weiß. Es ist zwar durchaus Mode, daß jeder hoffnungsvolle jüngere Dirigent erstmal einen Beethoven-Zyklus auf CD bannen muß, um auf dem nahezu versteinerten Klassikmarkt wahr- und ernstgenommen zu werden. Es hat wohl in der Tonträger-Geschichte noch nie so viele durchschnittliche bis langweilige Beethoven-Neuaufnahmen gegeben wie jetzt. Doch diese Gesamtaufnahme (Nr. 6, 2 und 9 folgen bis 2010) verspricht, ein Jahrhundert-Zyklus zu werden, ergreifend und erschütternd. Welch ein reicher Kosmos von Emotionen und Botschaften!
Benjamin G. Cohrs
Benjamin G. Cohrs
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