Besser ohne Lupu

Martin Wilkening
Berliner Zeitung
17.12.09

Ein Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen ist selbst für das orchesterverwöhnte Berliner Musikleben eine Bereicherung. Denn seltsamerweise werden, bei allen Nuancen in der Programmatik und Klangkultur der hiesigen Orchester, entscheidende grundsätzliche Alternativen andernorts entworfen. Der ebenso schnörkellose wie virtuose drive, verbunden mit einer faszinierenden klanglichen Biegsamkeit, den sich das Orchester mit seinem Dirigenten Paavo Järvi an Beethovens Sinfonien in den letzten Jahren erarbeitet hat, ist in seiner Unverwechselbarkeit auch auf CDs erfahrbar. Im Konzertsaal jedoch wirkt die Geradlinigkeit dieser Klangströme noch präsenter, fast erschreckend intensiv, zumal der Kammermusiksaal fast zu klein für dieses Orchester ist, und der von Bläsern und extrem virtuosen Pauken dominierte Klang den Raum bis in den letzten Winkel hinein restlos zu füllen scheint.

Zwar erklang der Schlusssatz aus Beethovens 1. Sinfonie, eines der Paradestücke der Kammerphilharmonie, hier nur als elektrisierende Zugabe. Aber auch zuvor, in einem reinen Schumann-Programm, war dies ein Konzert, in dem schon allein die sinnliche Präsenz der tönenden Formen etwas geradezu Berauschendes hatte.

Allerdings war dies ein Rausch in analytischer Schärfe, die Klanggruppen und ihre Bewegungen untereinander traten durch die ungewöhnliche interne Aufspaltung der hohen und tiefen Streicher überdeutlich hervor, dazu wurde leicht und luftig phrasiert. Schumanns "Rheinische Sinfonie" erschien auch dramaturgisch in selten erlebbarer Konsequenz ihrer Folge von Charakterbildern, die Tanzsätze rhythmisch ebenso gespannt wie im Tempo gehalten, voll Aufmerksamkeit auf die Poesie der feinen Brüche und ungewöhnlichen Wendungen. Die Szene im Dom mit der Feierlichkeit ihrer versponnenen Melodielinien erklang durch das vibratolose Spiel um so bohrender.

In der eingangs gespielten Manfred-Ouvertüre zeigten die 1. Violinen und Blechbläser allerdings doch einige Schwächen, und recht befremdend geriet die Begegnung mit dem Pianisten Radu Lupu in Schumanns Klavierkonzert. Lupus Kunst der vielfältig säuselnden Mittellagen hatte gegen den direkten Klang des Orchesters keine Chance, diesem hingegen blieb nichts anderes übrig, als sich der behäbigen Gangart anzupassen. Die allerdings hatte den Vorteil, dass das Tempo hier einmal von der ausnahmsweise nicht überzogenen Anfangskadenz an klar und stabil war, allerdings von einer in diesem Stück doch fast temperamentlos wirken Einförmigkeit bis in die flach dahintreibende Kadenz hinein.

Comments

Popular Posts