Großer Meister des leisen Wortes
pamina-magazin.de
21.12.09
Paavo Järvi, Dirigent der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, ist bekannt für originelle Lesarten, für staunenswerte Interpretationen des Standard-Repertoires. Wenn ein solcher Ausnahme-Dirigent auf einen ebenso klug musizierenden Solisten trifft, ist Großes zu erwarten: Radu Lupus Verständnis von Schumanns a-moll-Klavierkonzert sorgte im Festspielhaus Baden-Baden für einen Glanzpunkt zum Ende des Jahres; verstärkt noch durch Järvis Darbietung der „Rheinischen Sinfonie“. Doch zunächst steht Strawinskys „Pulcinella-Suite“ auf dem Programm, die mehr ist als nur ein Rückgriff auf barocke Formen: Strawinsky komponierte direkt auf den Manuskripten von Giovanni Battista Pergolesi, einem italienischen Meister des frühen 18. Jahrhunderts – und zwar so, „als würde ich ein altes Werk von mir selbst korrigieren“. Dementsprechend zugespitzt spielen Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie diese Suite; alles klingt durch und durch barock: Ein straffer, manchmal etwas spröder Klang, dazu sprechende, rhythmisierende Gesten, und im Kontrast dazu die fast derben, ruppigen Szenenwechsel: Hier sitzt alles, jeder Ton, jede Phrase, jeder Übergang.
All das verdichtet sich, sobald der Solist hinzukommt: Das Klavier ist Teil des Orchesters im Schumann-Konzert; nicht von ungefähr bemerkte deshalb ein früher Kritiker, dass dieses Werk eigentlich ein sinfonisches Tongemälde sei, in dem das Pianoforte die Hauptrolle spiele.
Der kristalline Anschlag und der barocke, luftige Orchesterklang gehen eine perfekte Legierung ein; Radu Lupu spielt, als sei er die Fortsetzung des gesamten Klangkörpers: Hier konzentriert sich alles, hier vollendet sich, was im Ensemble angedacht ist. Er wägt ab, er verinnerlicht, versinkt geradezu in den Themen - und im Äußeren zeigt sich dies als ein vollkommen rundes Legato, als bewegter Pianissimo-Untergrund innerhalb eines Gedankens, als zarte Umspielung einer Bläserkantilene. Gerade im leisen Ton steckt bei dem bärtigen, kräftig gebauten Rumänen eine ungeheure Energie: Zurückgenommen, geradezu sparsam wirkt sein Spiel an manchen Stellen. Dass darin ein langes Vorausdenken liegt, eine ungeheuer sorgfältige Vorbereitung größerer Zusammenhänge, merkt man an den Höhe- und Wendepunkten – und ist schlicht ergriffen.
Dann ein Szenenwechsel: Quirlig und eloquent ist der zweite Satz; die Streicher greifen weit aus, das Klavier kommentiert intelligent – und wiederum ahnt man diese weise Voraussicht, diese Größe, die über das momentane Spiel hinausgeht - bis die Musik plötzlich innehält und aus einer eindrucksvollen Schubkraft das Rondo heraussprudelt. Den lauten Beifall besänftigt Radu Lupu schließlich mit dem zugegebenen „Des Abends“ aus Schumanns Fantasiestücken op12.
In diesem leichten, durchsichtigen Fluss nehmen Paavo Järvi und die Kammerphilharmonie auch die "Rheinische"; es ist, als folge der gesamte Abend einer einzigen, durchgängigen Dramaturgie. Der Auftrittsapplaus für den Dirigenten ist noch nicht einmal verklungen, da setzt er bereits zum ersten Ton an; ein frischer Schwung, eine dynamische Geste, kluge Akzente: Der erste Satz klingt schlanker, jugendlicher, pointierter als in vielen anderen Interpretationen. Hier hört man alles: Die Linien in den Mittelstimmen, dazu jeden Einwurf, jede Bewegung. Man hört geschmeidige Motive, geschliffene Dialoge zwischen Streichern und Holzbläsern; die volkstümlichen, als Intermezzi angelegten Mittelsätze klingen grazil, charmant, fröhlich-pulsierend. Robert Schumann war gerade nach Düsseldorf umgezogen, und er genoss die Spaziergänge am Rhein, war beeindruckt vom Anblick des Kölner Doms und von der feierlichen Zeremonie bei der Inthronisation des damaligen Kardinals. Diese Wirkung ließ er in den vierten Satz einfließen; wie ein erhabenes Mauerwerk, wie eine ewige Wahrheit steht er inmitten dieser Sinfonie. Aller Vorwärtsdrang fällt hier ab, es gibt nur noch ein Sich-Ausdehnen in die Weite, ohne dass die Musiker dabei zu dick auftragen: eine Steigerung, die allmählich eine hohe Architektur erkennen lässt. Der Rest ist reines Musizierfeuer, und die Beigeisterung des Publikums beantwortet Järvi mit einem ebenso jugendlich-frischen Finalsatz aus Beethovens erster Sinfonie: Ein schlicht perfekter Abend.
21.12.09
Paavo Järvi, Dirigent der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, ist bekannt für originelle Lesarten, für staunenswerte Interpretationen des Standard-Repertoires. Wenn ein solcher Ausnahme-Dirigent auf einen ebenso klug musizierenden Solisten trifft, ist Großes zu erwarten: Radu Lupus Verständnis von Schumanns a-moll-Klavierkonzert sorgte im Festspielhaus Baden-Baden für einen Glanzpunkt zum Ende des Jahres; verstärkt noch durch Järvis Darbietung der „Rheinischen Sinfonie“. Doch zunächst steht Strawinskys „Pulcinella-Suite“ auf dem Programm, die mehr ist als nur ein Rückgriff auf barocke Formen: Strawinsky komponierte direkt auf den Manuskripten von Giovanni Battista Pergolesi, einem italienischen Meister des frühen 18. Jahrhunderts – und zwar so, „als würde ich ein altes Werk von mir selbst korrigieren“. Dementsprechend zugespitzt spielen Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie diese Suite; alles klingt durch und durch barock: Ein straffer, manchmal etwas spröder Klang, dazu sprechende, rhythmisierende Gesten, und im Kontrast dazu die fast derben, ruppigen Szenenwechsel: Hier sitzt alles, jeder Ton, jede Phrase, jeder Übergang.
All das verdichtet sich, sobald der Solist hinzukommt: Das Klavier ist Teil des Orchesters im Schumann-Konzert; nicht von ungefähr bemerkte deshalb ein früher Kritiker, dass dieses Werk eigentlich ein sinfonisches Tongemälde sei, in dem das Pianoforte die Hauptrolle spiele.
Der kristalline Anschlag und der barocke, luftige Orchesterklang gehen eine perfekte Legierung ein; Radu Lupu spielt, als sei er die Fortsetzung des gesamten Klangkörpers: Hier konzentriert sich alles, hier vollendet sich, was im Ensemble angedacht ist. Er wägt ab, er verinnerlicht, versinkt geradezu in den Themen - und im Äußeren zeigt sich dies als ein vollkommen rundes Legato, als bewegter Pianissimo-Untergrund innerhalb eines Gedankens, als zarte Umspielung einer Bläserkantilene. Gerade im leisen Ton steckt bei dem bärtigen, kräftig gebauten Rumänen eine ungeheure Energie: Zurückgenommen, geradezu sparsam wirkt sein Spiel an manchen Stellen. Dass darin ein langes Vorausdenken liegt, eine ungeheuer sorgfältige Vorbereitung größerer Zusammenhänge, merkt man an den Höhe- und Wendepunkten – und ist schlicht ergriffen.
Dann ein Szenenwechsel: Quirlig und eloquent ist der zweite Satz; die Streicher greifen weit aus, das Klavier kommentiert intelligent – und wiederum ahnt man diese weise Voraussicht, diese Größe, die über das momentane Spiel hinausgeht - bis die Musik plötzlich innehält und aus einer eindrucksvollen Schubkraft das Rondo heraussprudelt. Den lauten Beifall besänftigt Radu Lupu schließlich mit dem zugegebenen „Des Abends“ aus Schumanns Fantasiestücken op12.
In diesem leichten, durchsichtigen Fluss nehmen Paavo Järvi und die Kammerphilharmonie auch die "Rheinische"; es ist, als folge der gesamte Abend einer einzigen, durchgängigen Dramaturgie. Der Auftrittsapplaus für den Dirigenten ist noch nicht einmal verklungen, da setzt er bereits zum ersten Ton an; ein frischer Schwung, eine dynamische Geste, kluge Akzente: Der erste Satz klingt schlanker, jugendlicher, pointierter als in vielen anderen Interpretationen. Hier hört man alles: Die Linien in den Mittelstimmen, dazu jeden Einwurf, jede Bewegung. Man hört geschmeidige Motive, geschliffene Dialoge zwischen Streichern und Holzbläsern; die volkstümlichen, als Intermezzi angelegten Mittelsätze klingen grazil, charmant, fröhlich-pulsierend. Robert Schumann war gerade nach Düsseldorf umgezogen, und er genoss die Spaziergänge am Rhein, war beeindruckt vom Anblick des Kölner Doms und von der feierlichen Zeremonie bei der Inthronisation des damaligen Kardinals. Diese Wirkung ließ er in den vierten Satz einfließen; wie ein erhabenes Mauerwerk, wie eine ewige Wahrheit steht er inmitten dieser Sinfonie. Aller Vorwärtsdrang fällt hier ab, es gibt nur noch ein Sich-Ausdehnen in die Weite, ohne dass die Musiker dabei zu dick auftragen: eine Steigerung, die allmählich eine hohe Architektur erkennen lässt. Der Rest ist reines Musizierfeuer, und die Beigeisterung des Publikums beantwortet Järvi mit einem ebenso jugendlich-frischen Finalsatz aus Beethovens erster Sinfonie: Ein schlicht perfekter Abend.
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