Johannes Brahms--Ein Deutsches Requiem op. 45
Von Ursula Adamski-Störmer
Stand: 30.03.2011
Bayerischer Rundfunk
Johannes Brahms' Deutsches Requiem ist eines der bedeutendsten Oratorien der Spätromantik und dieses opulente, gut 72 Minuten dauernde Werk für Sopran, Bariton, Chor und Orchester hat sich das hr-Sinfonieorchester und dessen Chefdirigent Paavo Järvi im Oktober 2009 anläßlich des 80-jährigen Bestehens des Orchesters auf die Pulte in der Frankfurter Alten Oper gelegt. Am 1. Oktober 1929 begann die Geschichte dieses drittältesten Sinfonierochesters der ARD, das zunächst unter dem Namen Frankfurter Rundfunk-Symphonie-Orchester startete. Neun Chefdirigenten haben dieses Orchester bis heute geprägt. Zu Beginn Hans Rosbaud, der später zum SWR Sinfonieorchester Baden-Baden ging, Eliahu Inbal, Hugh Wolff waren weitere wichtige und prägende Dirigenten und seit 2006 nun Paavo Järvi - der seinen Vertrag inzwischen bis 2013 verlängert hat.
Archaisch-erdig markante Klangtableaus
Für seine Brahms-Einspielung hat sich der Este Järvi mit dem Schwedischen Radio Chor einen der weltweit besten Chöre mit ins Boot geholt. Der von Chorleiterlegende Eric Ericson mit einem ganz spezifischen Ton geprägte Chor versteht es wie kaum ein zweiter ebenso archaisch-erdig markante Klangtableaus zu entwerfen wie er an anderer Stelle ebenso ätherisch, unwirklich, obertonreich, ja fast nicht ortbar vergeistigt zu schweben scheint. Solche Qualitäten machen ihn zum Paradechor für dieses Requiem, dessen sieben Sätze immer wieder zwischen Todesfuror und elysischer Erlösungszuversicht disputieren. Keiner der sieben Sätze ist ohne Chorbeteiligung. Und darüber hinaus - und das ist das wichtige an seiner Funktion in diesem Werk - ist er nicht einfach nur "Verstärker", sondern er ist Träger, Initiator des inhaltlichen Gedankens. Er stößt inhaltliche musikalische Wendungen, spinnt sie fort und dies alles in einem sehr reichen Formenspiel von kontrapunktischen Chorfugen, einfachen liedhaften Passagen und ausschweifenden ausmalenden musikalischen Bildern. Die Solisten - ebenfalls von Rang und beide Franzosen: Natalie Dessay und der Bariton Ludovic Tézier.
Frei von falschem Pathos
Mit dieser Jubiläumsaufnahme des hr-Sinfonieorchesters präsentiert es sich mit seinem Chefdirigenten Järvi in einer schlüssigen, in sich stimmigen Interpretation dieses Werks. Es findet genau den richtigen Ton im Sinne eines durchaus romantischen Klangbilds, das Tremendum und Furor eruptiv in Szene setzt wie es sich in lyrischer, zart-ergebener Erlösungszuversicht hineinversenkt und dabei in jedem Augenblick frei ist von falschem Pathos. In seinem Deutschen Requiem, das kein liturgisches Requiem ist wie die lateinische Missa pro defunctis, hat Brahms ein im weitesten Sinn religiöses Werk geschaffen, zusammengestellt aus Texten des Alten und Neuen Testaments sowie aus apokryphen Schriften. Es ist seine sehr persönliche Meditation des Todes und unseres Lebens jenseits dieser irdischen Grenze. Folgerichtig sind die zentralen Qualitätskriterien dieser Aufnahme Klangsinnlichkeit und Klangsinn. Paavo Järvi macht damit seine Handschrift in diesem sehr gut exponierten Orchester ganz klar deutlich. Und diese Handschrift setzt sich zusammen aus den Parametern Präzision in den Tempi, in der Plastizität des Orchesterapparats mit seinem sehr fein ausgehörten Klangbild, einem äußerst transparenten Lyrismus, aber auch einer ebenso niederdrückenden Todesfurcht wie gleichermaßen strahlenden, ja triumphierenden Todesüberwindung. Diese Einspielung hat Kraft und Zuversicht und kommt der durchaus sehr persönlichen und individuellen Spiritualität der Brahmsschen Ästhetik mit seinem nordisch-mystischen Klangansatz in sehr hohem Maße nahe. Ein toller Klangkörper auf der Höhe der Zeit, der mit Paavo Järvi noch viele Höhen erklimmen kann.
Johannes Brahms, Ein Deutsches Requiem op. 45
- Natalie Dessay, Sopran
Ludovic Tézier, Bariton
Schwedischer Radio Chor
hr-Sinfonieorchester, Leitung Paavo Järvi - Virgin Classics
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