Der perfekte Pessimismus
HNA.de
Georg Pepl
02.07.2013
Paavo Järvi und das HR-Sinfonieorchester beeindruckten mit Mahlers 6. Sinfonie in KasselKASSEL. Was für eine Sinfonie, was für eine perfekt ausbalancierte Wiedergabe. Manche Dirigenten leben die heftigen Emotionen in der Musik Gustav Mahlers mit Pathos aus, was auch Mahlers eigene Art des Dirigierens gewesen sein soll. Mit einem anderen Stil triumphierte Paavo Järvi bei den Kasseler Gustav-Mahler-Festtagen in der fast voll besetzten Stadthalle
Ein kontrollierter Energetiker: Paavo Järvi beim Auftritt mit dem HR-Sinfonieorchester in der Kasseler Stadthalle. Foto: Schachtschneider
Der scheidende Chefdirigent des HR-Sinfonieorchesters präsentierte sich als quecksilbriger Energetiker von höchsten Graden, dabei stets kontrolliert. Wo andere große Gesten auskosten, wirkte der estnisch-amerikanische Pultstar auf effiziente Weise cool. Auch das hervorragende HR-Sinfonieorchester erbrachte eine Höchstleistung, die nie mühsam erkämpft schien.
Mit dem Heranrücken einer Armee hat man den Beginn von Mahlers abgrundtief pessimistischer 6. Sinfonie verglichen. Hier kam der Marschrhythmus „heftig, aber markig“ - so die Vortragsbezeichnung - daher, doch zugleich mit federndem Schwung. Bezeichnend auch, wie das kontrastierende Seitenthema aufgefasst wurde. Als romantischer Gefühlsausbruch gilt dieses sogenannte Alma-Thema, hinter dem manche eine Hommage an Mahlers Frau Alma vermuten. Järvi und die HR-Musiker formten es plastisch, aber nicht sentimental.
Bei allem Schrecken bietet die tragische Sechste auch Momente idyllischen Glücks - österreichisch alpin mit Kuhglocken, die hier auf der Seitenempore einen fernen Klang lieferten. Eindrucksvoll auch die raffinierten Akzentuierungen im Scherzo und der schlackenlos klare, filigrane Klang im Andante. Und im riesigen Finale fiel dann zweimal der Holzhammer.
Es war ein prägnanter Anblick, wie ein Schlagwerker mit stoischer Ruhe zu seinem Arbeitsgerät ging und den Hammer wie ein Scharfrichter schwang.
Den größten Schock hat sich Mahler aber für den Schluss aufgehoben: Ganz leise wird die Musik, bis der a-Moll-Akkord mit infernaler Lautstärke den endgültigen Untergang anzeigt.
Das Kasseler Publikum feierte Orchester und Dirigent mit Jubel und Ovationen. Paavo Järvi, der sieben Jahre erfolgreich in Frankfurt gewirkt hat, wird demnächst viel in Japan tätig sein, bleibt dem HR-Sinfonieorchester aber als Ehrendirigent verbunden.
http://www.hna.de/nachrichten/kultur/perfekte-pessimismus-2986361.html
Georg Pepl
02.07.2013
Paavo Järvi und das HR-Sinfonieorchester beeindruckten mit Mahlers 6. Sinfonie in KasselKASSEL. Was für eine Sinfonie, was für eine perfekt ausbalancierte Wiedergabe. Manche Dirigenten leben die heftigen Emotionen in der Musik Gustav Mahlers mit Pathos aus, was auch Mahlers eigene Art des Dirigierens gewesen sein soll. Mit einem anderen Stil triumphierte Paavo Järvi bei den Kasseler Gustav-Mahler-Festtagen in der fast voll besetzten Stadthalle
Ein kontrollierter Energetiker: Paavo Järvi beim Auftritt mit dem HR-Sinfonieorchester in der Kasseler Stadthalle. Foto: Schachtschneider
Der scheidende Chefdirigent des HR-Sinfonieorchesters präsentierte sich als quecksilbriger Energetiker von höchsten Graden, dabei stets kontrolliert. Wo andere große Gesten auskosten, wirkte der estnisch-amerikanische Pultstar auf effiziente Weise cool. Auch das hervorragende HR-Sinfonieorchester erbrachte eine Höchstleistung, die nie mühsam erkämpft schien.
Mit dem Heranrücken einer Armee hat man den Beginn von Mahlers abgrundtief pessimistischer 6. Sinfonie verglichen. Hier kam der Marschrhythmus „heftig, aber markig“ - so die Vortragsbezeichnung - daher, doch zugleich mit federndem Schwung. Bezeichnend auch, wie das kontrastierende Seitenthema aufgefasst wurde. Als romantischer Gefühlsausbruch gilt dieses sogenannte Alma-Thema, hinter dem manche eine Hommage an Mahlers Frau Alma vermuten. Järvi und die HR-Musiker formten es plastisch, aber nicht sentimental.
Bei allem Schrecken bietet die tragische Sechste auch Momente idyllischen Glücks - österreichisch alpin mit Kuhglocken, die hier auf der Seitenempore einen fernen Klang lieferten. Eindrucksvoll auch die raffinierten Akzentuierungen im Scherzo und der schlackenlos klare, filigrane Klang im Andante. Und im riesigen Finale fiel dann zweimal der Holzhammer.
Es war ein prägnanter Anblick, wie ein Schlagwerker mit stoischer Ruhe zu seinem Arbeitsgerät ging und den Hammer wie ein Scharfrichter schwang.
Den größten Schock hat sich Mahler aber für den Schluss aufgehoben: Ganz leise wird die Musik, bis der a-Moll-Akkord mit infernaler Lautstärke den endgültigen Untergang anzeigt.
Das Kasseler Publikum feierte Orchester und Dirigent mit Jubel und Ovationen. Paavo Järvi, der sieben Jahre erfolgreich in Frankfurt gewirkt hat, wird demnächst viel in Japan tätig sein, bleibt dem HR-Sinfonieorchester aber als Ehrendirigent verbunden.
http://www.hna.de/nachrichten/kultur/perfekte-pessimismus-2986361.html
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