Paavo Järvi und Olga Peretyatko mit Berg und Bruckner
abendzeitung-muenchen.de
Michael Bastian Weiß
12/06/2016
Die russische Sopranistin Olga Peretyatko. Foto: SCHOLZSHOOTSPEOPLE
Paavo Järvi und die Philharmoniker mit Bruckner, Olga Peretyatko singt Berg
Selbst wer, entgegen der derzeit herrschenden Meinung, die Münchner Philharmonie am Gasteig nicht völlig für ihre Akustik verachtet, wird zugeben, dass es Stücke gibt, die nach einem eher intimeren Saal verlangen. Die „Sieben frühen Lieder“ Alban Bergs gehören dazu, zumindest, wenn man sie als Lieder singt und nicht als verkappte Arien, die sie nicht sind.
Olga Peretyatko tut gut daran, ihre genuine Opernstimme hier bewusst klein zu halten, ohne, dass sie etwas von ihrer sinnlichen Fülle verlieren würde. Die gebürtige St. Petersburgerin hat Mut, ihr kammermusikalisches Piano auch dann nicht in Richtung Forte zu verlassen, wenn ihr Paavo Järvi mit dem Orchester zu nahe rückt. Dabei macht die Sopranistin es doch so wunderbar vor: Die Melodiebögen werden zärtlich aufgespannt und führen nur punktuell zu Höhepunkten, die dann umso wirkungsvoller strahlen und verglühen. In einem kleineren Saal würde sich wohl zum innigen Belcanto eine höhere Textverständlichkeit wie von selbst herstellen.
Trotz mancher Angebote der Philharmoniker gibt sich Järvi nicht gerade als kammermusikalisch feinsinniger, eher als pauschaler Begleiter. Große Skrupel hat er in der Definition der Orchestertotale ohnehin nie gezeigt. Järvi nimmt es gerne, wie es kommt und fasst die Stimmen dann durchaus vereinheitlichend zusammen, wobei sie eben aber auch leicht an solistischer Individualität verlieren.
Anton Weberns früher „Langsamer Satz“ hat nichts mehr von der originalen Quartettbesetzung, in dieser Orchestrierung des US-Dirigenten Gerard Schwarz bauen die philharmonischen Streicher stehende Klänge auf, die man fast in Scheiben schneiden kann, und auch das Verlöschen ist das eines mächtigen Orchesters.
Doch nicht nur pauschal kann Järvis Hang zum Zusammenfassen wirken, er kann auch große Schlüssigkeit gewährleisten. Im Vergleich zu seiner blitzsauberen Realisierung der 6. Symphonie A-Dur Anton Bruckners mit den Münchner Philharmonikern wirkt diejenige Christian Thielemanns im Rückblick geradezu schlampig.
Die Schläge des vollen Tuttis sind wunderbar rund abgesetzt, schwingen lange nach, die Art und Weise, wie die verschiedenen Teile gerade der Ecksätze auseinander hervorgehen, erscheint vollendet organisch – Järvis gestisches Bild hierfür sind die großen kreisenden Bewegungen der ganzen Arme, eine Art dirigentischen Radschlagens. An Momenten, an denen eine gewisse Tiefe aufbrechen müsste, etwa im Trauermarsch des Adagios, stellt sich zwar eine eher unangemessene Glätte ein, doch überwiegt im Ganzen das Erstaunen darüber, dass man Bruckner so elegant musizieren kann.
Ob diese Aufführung freilich auch signifikant genug war, um im Gedächtnis zu bleiben, muss jeder Hörer selbst entscheiden.
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