Jenseits aller Gemütlichkeit
Kölnische Rundschau RKC Köln linksrheinisch
06.12.2023
mco
Kammerphilharmonie Bremenspielt Haydn
Köln. SomussHaydnklingen!Dieser
Eindruck bliebnachdiesemPhilhar-
monie-Konzert. Die Kammerphil-
harmonie Bremen unter ihrem est-
nischen Chef Paavo Järvi spendierte
dem„WienerKlassiker“eineVerjün-
gungskur, die es in sich hatte.
Ausgehend von zügigen Tempi
setzte man auf eine im Detail ausge-
feilte Interpretation. Trockene Ak-
zente kehrten Haydns sprichwörtli-
chen Witz hervor. Den baut er auch
in seine „Londoner Sinfonien“ 97
und 102 ein. Die „historisch infor-
mierte“ Spielart des Orchesters et-
wa bei Hörnern und Pauken sorgte
ebenfalls für ein aufgerautes Klang-
bild. Hier schallte nichts gemütlich
durch den Saal. Alles wurde präg-
nant auf den Punkt gebracht und
Haydn als Revolutionär präsentiert.
Genau das war er auch.
DabeideSinfoniennichthäufigzu
erleben sind, gab es umso größere
Aha-Erlebnisse. Besonders die B-
Dur-Sinfonie102mitihreminsAda-
gioeingearbeiteteCellosoloundder
frechen Schlusspointe bot ein star-
kes Haydn-Plädoyer. Der Streicher-
klangwurde dynamischteils extrem
abschattiert. Ausgezeichnet aber
auchdieHolzbläser.Alle zusammen
erfüllen die Musik mit Leben und
rüttelten das Publikum von
den Sitzen.
Solch ein Orchester ist natürlich in Beethovens erstem Klavierkonzert keinesfalls ein Begleiter.Auch hier
gestaltete die Kammerphilharmonie tatkräftig
mit. Am Flügel saß der 33-jährige Pianist FabianMüller.Der gebürtige
Bonnerhat zuBeethoven,demSohn dieser Stadt, ein besonderes Verhältnis. Demnächst wird er alle
Beethoven-Sonaten in Berlin aufführen.
Für das frühe C-Dur-Konzert war Müllers Zugang ideal. Sein angemessen leichter Anschlag verdeut-
lichte gut die klassische Verankerung des Werks. Andererseits lieferte er die betonten Sforzati und auch
Marcato-Passagen packend ab. So gelang ihm ein zugleich sensitiver
wie pointierterBeethoven.Im Kopfsatz spielte er die längste der drei Originalkadenzen und strukturierte
sie vorbildlich. Sein Nachschlag:Rachmaninows Etüde, Opus 39/9. Auch das Orchester lieferte noch
zwei Zugaben ab. Nach Sibelius'„Andante festivo“ beschloss die früher Haydn zugeschriebene Serena-
de, Opus 3/5 den Abend. Längst ist allerdings bekannt, dass sie von einem unbekannten Komponisten
stammt. (mco)
Comments