hr-Sinfoniekonzert mit Paavo Järvi und Olli Mustonen

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Pressestimmen
31.03./01.04.2011 | Frankfurt | Alte Oper
»... durchdacht, wohlstrukturiert und transparent ...«


Chefdirigent Paavo Järvi dirigierte unbekannte Werke und Werkfassungen bekannter Komponisten


Anton Bruckners Sinfonie Nr. 2 e-Moll stellt im Gesamtoeuvre des Komponisten in mehrfacher Hinsicht einen Sonderfall dar: Es ist – abgesehen von der Studiensinfonie f-Moll und der »Nullten« d-Moll – das am seltensten aufgeführte sinfonische Werk des Komponisten und auch jenes, in dem Formabschnitte am radikalsten zusammengefügt werden. ... Dass Paavo Järvi und das hr-Sinfonieorchester die Zweite jetzt dennoch ins Programm des »Freitagskonzerts« in der Alten Oper genommen haben, überrascht hingegen angesichts der geplanten CD-Gesamteinspielung der Bruckner-Sinfonien auf CD nicht allzu sehr. Järvi und die Rundfunkmusiker boten eine spannungsvolle, dynamische und im Hinblick auf die Themenkontraste weit aufgefächerte, aber auch frei fließende Wiedergabe auf hohem Niveau. Thematische Entwicklungen, Klangintensität und dynamische Abstufungen wirkten sämtlich durchdacht, wohlstrukturiert und transparent.

Die Pizzicati im Andante werden bis zur Tonträgersitzung sicher noch zusammenzubringen sein. Dass Järvi sich überwiegend für die »handelsüblichen« Striche vornehmlich im Finale entschied, muss man bedauern. Verblüffend auch, dass er für den Schluss des zweiten Satzes die Horn-Fassung wählte. Als weiteres großes Werk war vor der Pause Ludwig van Beethovens Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 in der von Beethovens Komponistenkollegen Muzio Clementi vorgeschlagenen, von Beethoven selbst angefertigten alternativen Klavierfassung erklungen. Olli Mustonen, der Solist des Abends, hielt seine sonst oft ausgeprägte Neigung, den Werkzusammenhang klassischer Stücke durch extrem manieristische Spielweise eher zu verschleiern als zu erhellen, diesmal wohltuend im Zaum – sehr zum Wohle des Ganzen. Und auch dies mag Paavo Järvi an der Zusammenarbeit mit dem finnischen Klaviervirtuosen reizen: dessen Fähigkeit, Musik der Klassik völlig unemotional anmutend, doch mit glasklarer Trennschärfe der Motivik so zu interpretieren, dass die Sog- und Sprengkraft dieser Musik zur Zeit ihrer Entstehung ins Blickfeld rückt. Das brachte ihm jetzt viel Beifall ein, für den er sich mit dem zart intonierten, doch keineswegs betont stimmungsvoll gespielten ersten »Gesang der Frühe« von Robert Schumann bedankte.

Harald Budweg, Frankfurter Allgemeine Zeitung,
04.04.2011


Zwei Werke – zwei Raritäten, wovon die eine eigentlich wohlbekannt ist, nur nicht in dieser Fassung. Denn Paavo Järvi kombinierte beim jüngsten hr-Konzert Bruckners selten zu hörende zweite Sinfonie mit Beethovens Violinkonzert in der Version für Klavier und Orchester. ...

Wie pianistisch ein Violinpart klingen kann, das demonstrierte Olli Mustonen an diesem Abend eindrücklich. Man muss den finnischen Klaviervirtuosen und seine pointierte, zuweilen manierierte Anschlagskunst mögen. Seine Tongebung ist von kristalliner Klarheit, und in den ausgedehnten Kadenzen des Beethovenschen Violin-/Klavierkonzerts meinte man gar, kleine Eiswürfel aus dem Flügel purzeln zu hören. Gleichwohl entbehrt sein Spiel nicht einer übergeordneten Linie – einer Kantabilität, die Paavo Järvi trotz stets präsenter dramatischer Impulse auch im Orchester bevorzugte.

Dass Bruckners Musik enorm sinnlich und expressiv sein kann, zeigten Järvi und sein hochmotiviertes Orchester am Beispiel der zweiten Sinfonie, die der österreichische Tonsetzer selbst als »zahm« bezeichnete. Gleichwohl gelang es den Instrumentalisten, trotz der oft blockartigen Kompositionsweise einen enormen Drive zu entwickeln. Auch die oft geschmähten Generalpausen gerieten unter Järvis Leitung nicht zu übergroßen Zäsuren. Sie wurden organisch in den Ablauf eingebunden. Mitunter bekam Bruckner sogar etwas Leichtfüßiges, Tänzerisches, ohne dass der Finalsog des letzten Satzes etwas von seiner Wirkung eingebüßt hätte. Das Publikum feierte Järvi und das hr-Sinfonieorchester mit großem Enthusiasmus. Ganz zu Recht.

Michael Dellith, Frankfurter Neue Presse,
02.04.2011


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