RMF: Aufregendes Brahms-Erlebnis mit Igor Levit
wiesbadner-kurier.de
Dietrich Stern
7.12.2019
Dietrich Stern
7.12.2019
Gemeinsam mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen präsentiert der Pianist Igor Levit und im Wiesbadener Kurhaus auf Einladung des Rheingau Musik Festivals Brahms 1. Klavierkonzert.
Igor Levit lebt Musik durch und durch. (Foto: RMF/Ansgar Klostermann)
WIESBADEN - Paukenschlag oder -wirbel, wie auch immer, – mit Igor Levit und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen gelingt dem Rheingau Musik Festival im Kurhaus ein großartiges Konzert gegen Ende der Saison.
Bedingungslose, radikale Art des Musizierens
Das 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms fügt sich in die Beschäftigung des Bremer Orchesters mit dem Romantiker ein. Bei dem Pianisten Levit spielte die Romantik zwar bis jetzt keine große Rolle. Seine bedingungslose, radikale Art des Musizierens ermöglicht jedoch eine aufregend neue Sicht auf das Werk, um das Brahms lange gerungen hat. Scheinbar in sich zusammengesunken hört Levit die jäh auffahrenden, schmerzhaften Anfangsmotive, grundiert von dramatischen Paukenwirbeln. Wenn sich das Vorspiel fast bis ins Resignative, Verlöschende beruhigt hat, setzt er mit weichen Terzenketten ein, in einer unnachahmlichen Balance aus Beiläufigkeit und Präsenz.
Es ist diese Fähigkeit Levits, in der Musik „da“ zu sein, die den Abend so besonders macht. Er tritt mit einzelnen hohen Tönen in einen magischen Dialog mit den Holzbläsern, bei dem die Zeit stillsteht, um dann im Donnern der Oktaven wieder pure Energie auszuströmen, die ihn selbst noch in den Pausen weiter vibrieren lässt. Wenn das Klavier alleine spielt, trumpft es nicht fingerfertig auf, sondern singt wehmütig tröstlichen Gesang. Dann wieder glitzern die Läufe in atemberaubender Schnelligkeit und Brillanz.
Der Dirigent Paavo Järvi hat mit „seiner“ Kammerphilharmonie auch in Sachen Brahms neue Maßstäbe gesetzt. So entschlackt und modern hat man Brahms kaum gehört. Im engen Dialog mit dem Pianisten gehen Dirigent und Orchester bis an die Grenzen des Risikos und legen die Radikalität und den gedanklichen wie emotionalen Reichtum bei Brahms frei. Dem besonderen Augenblick dieser packenden Interpretation kann sich niemand entziehen. Igor Levit lebt Musik durch und durch, was vielleicht damit zusammenhängt, dass er auch sonst, menschlich und gesellschaftlich, höchst aktiv und kritisch im Leben steht. Ein kleines Klavierstück von Chilly Gonzales adelt er zum Schluss, indem er es bis zur vollkommenen Stille führt, und sich so verabschiedet.
Haydns „Sinfonie mit dem Paukenwirbel“ Nr. 103 hat es im zweiten Teil des Konzerts nicht gerade leicht nach so viel Intensität. Aus ihrer großen Beethoven-Erfahrung spielen Järvi und die Bremer die Verbindung von Volkstümlichkeit und hoher Kunstfertigkeit sehr deutlich und beredt aus. Das namengebende Paukensolo wirkt selten logisch zwingend, wenn es auch hier die Beziehung zum Pauken-Beginn des Brahms-Konzerts herstellt. Die Konzert-Routine aufzubrechen, und das Solokonzert nach der Sinfonie zu spielen, hätte sicher das Hörerlebnis bei Haydn und die Nachwirkung der grandiosen Brahms-Interpretation noch gesteigert.
Igor Levit lebt Musik durch und durch. (Foto: RMF/Ansgar Klostermann)
WIESBADEN - Paukenschlag oder -wirbel, wie auch immer, – mit Igor Levit und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen gelingt dem Rheingau Musik Festival im Kurhaus ein großartiges Konzert gegen Ende der Saison.
Bedingungslose, radikale Art des Musizierens
Das 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms fügt sich in die Beschäftigung des Bremer Orchesters mit dem Romantiker ein. Bei dem Pianisten Levit spielte die Romantik zwar bis jetzt keine große Rolle. Seine bedingungslose, radikale Art des Musizierens ermöglicht jedoch eine aufregend neue Sicht auf das Werk, um das Brahms lange gerungen hat. Scheinbar in sich zusammengesunken hört Levit die jäh auffahrenden, schmerzhaften Anfangsmotive, grundiert von dramatischen Paukenwirbeln. Wenn sich das Vorspiel fast bis ins Resignative, Verlöschende beruhigt hat, setzt er mit weichen Terzenketten ein, in einer unnachahmlichen Balance aus Beiläufigkeit und Präsenz.
Es ist diese Fähigkeit Levits, in der Musik „da“ zu sein, die den Abend so besonders macht. Er tritt mit einzelnen hohen Tönen in einen magischen Dialog mit den Holzbläsern, bei dem die Zeit stillsteht, um dann im Donnern der Oktaven wieder pure Energie auszuströmen, die ihn selbst noch in den Pausen weiter vibrieren lässt. Wenn das Klavier alleine spielt, trumpft es nicht fingerfertig auf, sondern singt wehmütig tröstlichen Gesang. Dann wieder glitzern die Läufe in atemberaubender Schnelligkeit und Brillanz.
Der Dirigent Paavo Järvi hat mit „seiner“ Kammerphilharmonie auch in Sachen Brahms neue Maßstäbe gesetzt. So entschlackt und modern hat man Brahms kaum gehört. Im engen Dialog mit dem Pianisten gehen Dirigent und Orchester bis an die Grenzen des Risikos und legen die Radikalität und den gedanklichen wie emotionalen Reichtum bei Brahms frei. Dem besonderen Augenblick dieser packenden Interpretation kann sich niemand entziehen. Igor Levit lebt Musik durch und durch, was vielleicht damit zusammenhängt, dass er auch sonst, menschlich und gesellschaftlich, höchst aktiv und kritisch im Leben steht. Ein kleines Klavierstück von Chilly Gonzales adelt er zum Schluss, indem er es bis zur vollkommenen Stille führt, und sich so verabschiedet.
Haydns „Sinfonie mit dem Paukenwirbel“ Nr. 103 hat es im zweiten Teil des Konzerts nicht gerade leicht nach so viel Intensität. Aus ihrer großen Beethoven-Erfahrung spielen Järvi und die Bremer die Verbindung von Volkstümlichkeit und hoher Kunstfertigkeit sehr deutlich und beredt aus. Das namengebende Paukensolo wirkt selten logisch zwingend, wenn es auch hier die Beziehung zum Pauken-Beginn des Brahms-Konzerts herstellt. Die Konzert-Routine aufzubrechen, und das Solokonzert nach der Sinfonie zu spielen, hätte sicher das Hörerlebnis bei Haydn und die Nachwirkung der grandiosen Brahms-Interpretation noch gesteigert.
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