Ungeahnte Leichtigkeit
weser-kurier.de
Lisa-maria Röhling
10.12.2019
Igor Levit ist aktuell einer der gefragtesten Pianisten weltweit. In der Glocke überzeugt er zusammen mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und Paavo Järvi.
Der Pianist Igor Levit, hier auf einem Bild aus dem Jahr 2018 zu sehen, gastierte am Montag mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen in der Glocke. (Hendrik Schmidt)
Wie sich ein Pianist bei Orchesterpassagen eines Konzertes verhält, sagt viel über ihn aus. Ganz besonders bei einem Klavierkonzert wie dem ersten von Johannes Brahms: Orchester und Solostimme sind gleichwertige Partner, die Klavierpartie ist nicht selten als Begleitung komponiert. Igor Levit tut sich damit beim Konzert „Energiegeladen Brahms“ mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen am Montagabend in der Glocke aber nicht schwer. Während das Orchester mit der wuchtigen Anfangspassage des ersten Satzes vorlegt, hat der Pianist den Kopf geneigt, hebt ihn nur, um sich bei einzelnen Melodien den Musikern zuzuwenden. Einer, der aufmerksam zuhört, statt sich in seiner Partie zu verlieren.
Es hätte ein zäher Abend werden können. Sowohl das d-Moll-Klavierkonzert von Brahms (1833-1897) als auch die vierte Sinfonie von Robert Schumann (1810-1856) neigen zur Trägheit, wenn die Tempi ein wenig zu langsam sind, die Dynamik einen Hauch überzogen ist. Doch die Kammerphilharmoniker unter der Leitung von Paavo Järvi und Ausnahmepianist Levit lassen sich von der Konzertüberschrift lenken: Sie führen einen balancierten Dialog, ohne dem Stück seine Wucht oder – ja, genau – Energie zu nehmen.
Die ersten Takte des Klavierkonzertes geben den Ton für den restlichen Abend vor: Das klangvolle Hauptthema spielen die Kammerphilharmoniker, ohne ins Kitschige abzurutschen oder in Trägheit zu verfallen. Im Finale tun sie sich gerade im komplizierten Fugato mit enormer Präzision hervor. Paavo Järvi muss das Ensemble nur hier und da in die richtige Richtung schubsen, erschafft damit aber eine überzeugende Leichtigkeit in einem mitunter schwerfälligen Stück.
Igor Levit passt sich in dieses Zusammenspiel mit technischer Genauigkeit und fast bescheidenen Soli ein. Die komplizierten Triller des ersten Satzes verschränken sich nahtlos mit den Orchesterlinien, im zweiten Satz übernimmt er fast unauffällig die leise, aber intensive Melodie. Für das Finale gibt er ein ambitioniertes, aber angemessenes Tempo vor und fügt sich in das Fugato mit technisch herausragender Genauigkeit ein. Gleichzeitig zeigt er, warum er einer der gefragtesten Pianisten weltweit ist: Er spielt bodenständig, ohne die Brillanz zu verlieren. Das belohnt das Publikum mit anhaltendem Applaus.
Schumanns 4. Sinfonie bildet den logischen Anschluss: Brahms hatte lange mit seinem Klavierkonzert gehadert, überschattet wurde die Komposition vom Tod seines Idols Schumann. Erst drei Jahre danach kam es zur Uraufführung, das zeitgenössische Publikum reagierte mäßig: zu viele Brüche mit der gängigen Sonatenform, zu unüblich die Rolle des Solisten.
Schumann brach in seiner Sinfonie Nr. 4 in d-Moll ebenfalls mit zahlreichen Konventionen: Die vier Sätze gehen fließend ineinander über, auf Reprisen in ihrer üblichen Form verzichtet er in dem Stück fast gänzlich. Auch hier legen die Kammerphilharmoniker ein zügiges Tempo vor, verzichten in allen Sätzen auf süßliches Schwelgen und entschleunigende Phrasierungen. Das verleiht der Sinfonie eine ungeahnte Frische und Intensität. Trotz der Geschwindigkeit bleiben die Streicherläufe klar, die präzisen Bläsereinwürfe bilden ein knackiges Gegengewicht. Järvi treibt gelegentlich etwas voran oder fordert eine extremere Dynamik – doch oft lässt er sich einfach von der offensichtlichen Spiellust seines Ensembles tragen.
Weitere Informationen
Igor Levit und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen gastieren am Mittwochabend mit Brahms’ 2. Klavierkonzert noch einmal in der Glocke. Das Konzert ist ausverkauft.
https://www.weser-kurier.de/deutschland-welt/deutschland-welt-kultur_artikel,-ungeahnte-leichtigkeit-_arid,1881976.html
Lisa-maria Röhling
10.12.2019
Igor Levit ist aktuell einer der gefragtesten Pianisten weltweit. In der Glocke überzeugt er zusammen mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und Paavo Järvi.
Der Pianist Igor Levit, hier auf einem Bild aus dem Jahr 2018 zu sehen, gastierte am Montag mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen in der Glocke. (Hendrik Schmidt)
Wie sich ein Pianist bei Orchesterpassagen eines Konzertes verhält, sagt viel über ihn aus. Ganz besonders bei einem Klavierkonzert wie dem ersten von Johannes Brahms: Orchester und Solostimme sind gleichwertige Partner, die Klavierpartie ist nicht selten als Begleitung komponiert. Igor Levit tut sich damit beim Konzert „Energiegeladen Brahms“ mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen am Montagabend in der Glocke aber nicht schwer. Während das Orchester mit der wuchtigen Anfangspassage des ersten Satzes vorlegt, hat der Pianist den Kopf geneigt, hebt ihn nur, um sich bei einzelnen Melodien den Musikern zuzuwenden. Einer, der aufmerksam zuhört, statt sich in seiner Partie zu verlieren.
Es hätte ein zäher Abend werden können. Sowohl das d-Moll-Klavierkonzert von Brahms (1833-1897) als auch die vierte Sinfonie von Robert Schumann (1810-1856) neigen zur Trägheit, wenn die Tempi ein wenig zu langsam sind, die Dynamik einen Hauch überzogen ist. Doch die Kammerphilharmoniker unter der Leitung von Paavo Järvi und Ausnahmepianist Levit lassen sich von der Konzertüberschrift lenken: Sie führen einen balancierten Dialog, ohne dem Stück seine Wucht oder – ja, genau – Energie zu nehmen.
Die ersten Takte des Klavierkonzertes geben den Ton für den restlichen Abend vor: Das klangvolle Hauptthema spielen die Kammerphilharmoniker, ohne ins Kitschige abzurutschen oder in Trägheit zu verfallen. Im Finale tun sie sich gerade im komplizierten Fugato mit enormer Präzision hervor. Paavo Järvi muss das Ensemble nur hier und da in die richtige Richtung schubsen, erschafft damit aber eine überzeugende Leichtigkeit in einem mitunter schwerfälligen Stück.
Igor Levit passt sich in dieses Zusammenspiel mit technischer Genauigkeit und fast bescheidenen Soli ein. Die komplizierten Triller des ersten Satzes verschränken sich nahtlos mit den Orchesterlinien, im zweiten Satz übernimmt er fast unauffällig die leise, aber intensive Melodie. Für das Finale gibt er ein ambitioniertes, aber angemessenes Tempo vor und fügt sich in das Fugato mit technisch herausragender Genauigkeit ein. Gleichzeitig zeigt er, warum er einer der gefragtesten Pianisten weltweit ist: Er spielt bodenständig, ohne die Brillanz zu verlieren. Das belohnt das Publikum mit anhaltendem Applaus.
Schumanns 4. Sinfonie bildet den logischen Anschluss: Brahms hatte lange mit seinem Klavierkonzert gehadert, überschattet wurde die Komposition vom Tod seines Idols Schumann. Erst drei Jahre danach kam es zur Uraufführung, das zeitgenössische Publikum reagierte mäßig: zu viele Brüche mit der gängigen Sonatenform, zu unüblich die Rolle des Solisten.
Schumann brach in seiner Sinfonie Nr. 4 in d-Moll ebenfalls mit zahlreichen Konventionen: Die vier Sätze gehen fließend ineinander über, auf Reprisen in ihrer üblichen Form verzichtet er in dem Stück fast gänzlich. Auch hier legen die Kammerphilharmoniker ein zügiges Tempo vor, verzichten in allen Sätzen auf süßliches Schwelgen und entschleunigende Phrasierungen. Das verleiht der Sinfonie eine ungeahnte Frische und Intensität. Trotz der Geschwindigkeit bleiben die Streicherläufe klar, die präzisen Bläsereinwürfe bilden ein knackiges Gegengewicht. Järvi treibt gelegentlich etwas voran oder fordert eine extremere Dynamik – doch oft lässt er sich einfach von der offensichtlichen Spiellust seines Ensembles tragen.
Weitere Informationen
Igor Levit und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen gastieren am Mittwochabend mit Brahms’ 2. Klavierkonzert noch einmal in der Glocke. Das Konzert ist ausverkauft.
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