CONCERT REVIEW: Dresdener Regionalmenü

Paavo Järvi und Yundi Li mit der Sächsischen Staatskapelle im Stuttgarter Meisterkonzert

Von Erwin Schwarz
Esslinger Zeitung, 28.10.2005

Stuttgart - Was als Programm für ein Hauskonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden taugen könnte, lässt sich auch für eine Tournee verwenden. Zwar fehlte Richard Strauß, aber Schumann, Liszt und vor allem Wagner als Chefdirigent haben zu ihrer Zeit in Elbflorenz Station gemacht. So eröffneten die Gäste das zweite Stuttgarter Meisterkonzert im Beethovensaal mit dem Parsifal-Vorspiel, das der Tourneedirigent Paavo Järvi mit sehr gemessener Gestik in dynamische Portionen und musikalische Symptome stückelte. Der schnell bekannt gewordene Mann aus Estland und die aufmerksam folgenden Dresdener schienen ihre Energien für den zweiten Teil des Abends aufzusparen. Mit dem Chinesen Yundi Li hatten die Sachsen einen Pianisten als Tourneebegleiter ausgesucht, den seine deutsche Schallplattenfirma als Ausnahmeerscheinung im Bereich der Virtuosenliteratur vorstellen möchte. Mit dem ersten Klavierkonzert von Franz Liszt machte er denn auch Furore am Steinway.
Jungenhafte Emphase

Er spielte mit jungenhafter Emphase und blieb technisch auf der Spur des Komponisten. Allerdings waren sein rechter Schuh und das Haltepedal des Flügels fast untrennbar im Dauerverbund, was Akkordschläge nachklirren und die Skalenläufe verschwimmen ließ. Man darf dem 23-Jährigen Talent unterstellen. Durch die Konzentration auf kürzere Abschnitte im Solopart bemühte er sich, das Ausufernde im Stil des Komponisten zu zähmen und sich nicht allein auf die Verblüffung des Publikums durch manuelle Vehemenz zu verlassen. Aber für den ganz großen Wurf wird er sich noch eine Entwicklungszeit nehmen müssen (Zugabe: "Sunflower" von Ling-er-yao).

Die zweite Sinfonie von Robert Schumann brachte die erwartete gestalterische Steigerung ins Spiel der Sächsischen Staatskapelle. Nach dem ökonomisch gezügelten Kopfsatz kehrte temperamentvolle Lockerung schon im Scherzo ein. Paavo Järvi wirkte wie elektrisiert, und auch die Musiker schienen nun entschlossen, nach dem herbstfarbenen, etwas pathetischen Beginn die als Klagewerk Schumanns einst depressiv eingestufte C-Dur-Sinfonie dynamisch zu bewegen und im Finale dramatisch aufzugipfeln. Energievolle Eleganz im Streichersatz und Bläser in Bestlaune fügten sich klanglich ausdrucksstark zusammen. Zugabe: wieder einmal der fünfte Ungarische Tanz von Brahms.

Comments

Popular Posts