Lang Lang: Von Beethoven zu Mary Poppins

Anke Demirsoy

11.10.2022


Konzerthaus Dortmund: Paavo Järvi, die Deutsche Kammerphilharmonie und der Star-Pianist mit Haydn, Beethoven und Brahms



Dortmund. Von einer Energiekrise weiß dieser Abend nichts. Weder spart die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen an Strom, noch drosselt sie das vitale Feuer ihres Musizierens. Unter Dirigent Paavo Järvi gibt sie im Konzerthaus Dortmund Vollgas: zunächst in Joseph Haydns Sinfonie Nr. 96 mit dem Beinamen ,,Das Wunder“.

Mit historisch gescharftem Klang kommt diese erste von Haydns großen Londoner Sinfonien daher,
quicklebendig und originell, mit Festglanz und delikatem Charme. Zugleich weht hier der Geist des
Sturm und Drang, selbstbewusst auftrumpfend, mit seiner Kraft vorausweisend auf das dritte Klavier-
konzert von Ludwig van Beethoven.

Das spielt Lang Lang mit einer pianistischen Brillanz, die sich an sich selbst berauscht. Seine Fingerfertigkeit ist tiberragend, im Wesentlichen gelingen ihm auch die Kontraste zwischen schicksalhaft-düsteren Tonfallen und dem Zauber lyrischer Linienführung. Beethovens Genie beizukommen, hat er gleichwohl Probleme.

Wo revolutiondrer Impetus gefragt ist, verlegt sich Lang Lang auf Tempo-Attacken oder donnert
unter erheblichem Pedaleinsatz los. Im Largo klingen die Entrückungen des E-Dur verträumt: Von Transzendenz und Weite wissen sie wenig. Verspielt geht er das Rondo an. Vorschläge, Triller und Akzente konnten pragnanter nicht sein. Wer auf schmerzlich Kühnes oder bissige Untertöne wartet, muss indes verzichten. Als Zugabe spielt der Pianist ein Arrangement von ,,Feed the
birds“ aus Disneys Musical Mary Poppins.

Extrem verschlankt begegnet uns Johannes Brahms zum Abschluss in
seiner 2. Sinfonie. Paavo Jarvi und das Orchester aus Bremen legen rasante Tempi vor, verstehen sich auf blühende Gefilde, treiben dem Werk zugleich jede grüblerische Schwere aus.

Kein Gramm Fett ist hier erlaubt: Johannes Brahms wird für die Hochleistungsgesellschaft durchoptimiert, sprintet nach einem dreisatzigen Triathlon nahezu atemlos in die Schlusskurve. Mit welcher Präzision das Orchester das durchhält, ist bewundernswert.

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