Intensiv, innig und mit unbändiger Energie

Weser Kurier 

Gerd Klingeberg 

10.10.2022

Photo credits: Christina Kuhaupt



Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen hatte sich den Star-Pianisten Lang Lang in die Glocke eingeladen. Dort, und beim Public Viewing, erlebte das Publikum ganz unterschiedliche musikalische Momente.




Bremen. Die Glocke ausverkauft, dazu ein gut besuchtes Public Viewing auf dem Domshof: Die Zahl derjenigen, die den chinesischen Star-Pianisten Lang Lang in Bremen live erleben möchten, ist erwartungsgemäß hoch. Unter der inspirierenden Leitung ihres langjährigen Chefdirigenten Paavo Järvi begleitet die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen den weltweit aktiven, vielfach preisgekrönten Musiker.

Bei der ausgedehnten orchestralen Einleitung des Klavierkonzerts Nr. 3 c-Moll von Ludwig van Beethoven geht Lang Lang, fast etwas ungeduldig wirkend, zunächst nur mit kleinen Gesten mit. Sein Einsatz erfolgt punktgenau. Der musikalische Dialog zwischen Solist und Ensemble nimmt seinen Lauf mit exakt ineinandergreifenden Übergängen. Bei teils ausgeprägtem pianistischem Rubato ist höchste Konzentration von Dirigent und Ensemble gefordert, um sich bei Beschleunigung oder Rücknahme des Tempos jeweils bruchlos einzuklinken. Die Balance gerät perfekt. Der Auftaktsatz wirkt zu jedem Zeitpunkt lebendig und spontan.

In der Kadenz brilliert der Pianist mit einem komplexen Geflecht akkurat perlender Läufe. Jeder Ton kommt dezidiert; ein bisweilen längerer Pedaleinsatz lässt indes manche Passage etwas diffus wirken. Nach fulminantem Schlussdonner folgt der stark kontrastierende Largo-Mittelsatz. Behutsam, fast ein wenig zögerlich schlägt der Solist die Tasten an. Die Zeit scheint nahezu still zu stehen, als er das melancholische wie entrückt anmutende Thema in äußerster Ruhe vorträgt. Eine Ruhe, die sich in der späteren Wiederholung der Anfangsphrase, die Lang Lang introvertiert und ganz allein für sich zu spielen scheint, noch intensiver, noch inniger mitteilt.

Fulminanter Schluss

Da passt es, dass der nahezu attacca anschließende Finalsatz zwar straff, aber durchaus etwas zurückgenommen und nicht als wuchtiger Paukenschlag startet. Schnell Fahrt aufnehmend und markant pulsierend, überrascht er mit hochgradigen dynamischen Änderungen und unerschöpflichen Energieschüben bis hin zum fulminanten Schluss-Tutti. Noch nicht ganz verklungen, setzt tosender Beifall ein. Der frenetisch bejubelte Pianist bedankt sich mit einer einschmeichelnd romantischen “Mary Poppins“-Zugabe.

Das Orchester hatte zuvor schon mit einer spritzigen Version der Sinfonie Nr. 96 von Joseph Haydn begeistert. Nicht minder gefeiert wird es nachfolgend für die packende Aufführung der Sinfonie Nr. 2 von Johannes Brahms. Jede Phrase erklingt bezwingend konsistent. Kein Schleppen, kein Gründeln in depressiver Düsternis, kein salbungsvoll pastorales Säuseln, wohl aber vorantreibende Wellen schier überwältigender, oft deutlich gegensätzlicher Emotionen prägen die rundum spannungsintensive Interpretation. Sie imponiert mit kaum noch steigerbarem Fortissimo-Getöse in einer berauschend triumphalen Finalsequenz.





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