Das Unprätentiöse des Kongenialen: Leif Ove Andsnes, Paavo Järvi

derStandard.at
30. Mai 2011

In ihrem Zugang sind einander die beiden wahlverwandt

Wien - Das Geschäft mit Aufmerksamkeit und Anerkennung im Kulturbetrieb ist schon merkwürdig: Paavo Järvi gehört zweifellos zu den inspiriertesten, visionärsten und technisch souveränsten Dirigenten unserer Zeit. Und doch rangiert er, CD-Preise hin, diverse Chefposten her, in Markt und Medien hinter so manchem Blender.

Der zehn Jahre ältere Bruder von Kristjan Järvi stellt nun einmal keinen Pultstar dar - trotz aller tänzerischen Eleganz scheint ihn Außenwirkung kaum zu kümmern. Stattdessen realisiert er (das abgedroschene Wort ist hier durchaus angebracht!) Partituren in allen Details so akkurat wie nur wenige. Und er erzielt dynamisch wie agogisch feingezeichnete Phrasierungen und Spannungsbögen, modelliert sie in allen Dimensionen mit bezwingender Gestik.

Leif Ove Andsnes war für Järvi im Musikverein ein kongenialer Partner; in ihrem unprätentiösen Zugang sind einander die beiden wahlverwandt. So agierte er in Brahms' 2. Klavierkonzert mit der ihm eigenen Selbstverständlichkeit, gerundet und schlüssig, ohne aufgesetztes Pathos, während das Orchester prononciert und flexibel reagierte.

Auch Dvoráks Siebte atmete in jeder Phrase bezwingende Flexibilität. Einziger möglicher Einwand wäre, dass sich die großen Formen nicht ganz mit derselben Stringenz ineinanderfügten. Zwar könnte das Orchestre de Paris, das Järvi seit 2010 leitet, hinsichtlich seiner klanglichen Homogenität noch zulegen. Engagement und Spielfreude ließen sich aber bereits jetzt - nicht nur im Vergleich mit der vorangegangenen Orchester-Ära - kaum mehr steigern. (Daniel Ender, DER STANDARD - Printausgabe, 31. Mai 2011)

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