Tanz auf dem Vulkan

FAZ.NET
Von Guido Holze
27. Juni 2011
Rheingu Musik Festival

Das hr-Sinfonieorchester eröffnet das Rheingau Musik Festival im Kloster Eberbach mit Mahlers Fünfter und der Solistin Elena Garanca.



Glanzvolle Eröffnung: Elena Garanca und das hr-Sinfonieorchester mit Paavo Järvi in Kloster Eberbach.

26. Juni 2011 Ohne Solisten, Chor und Textbindung ist Mahlers fünfte Sinfonie eines seiner weniger konkreten Werke, entstanden „ohne äußeren Anlass“, wie er selbst anmerkte. Keine bildgebenden Satztitel, kein, auch kein geheimes, Programm: Der Zuhörer ist mit seiner Phantasie im sinfonischen Weltenbau, im Theatrum mundi, auf sich allein gestellt .Mit Paavo Järvi hat jetzt beim Eröffnungskonzert des 24. Rheingau Musik Festivals in der Basilika von Kloster Eberbach jedoch ein erfahrener Wegbereiter und -begleiter durch die Klangmassen geführt. Das Denken in großen Volten wurde mit ihm leichter.
Das hr-Sinfonieorchester setzte somit unter der Leitung des estnischen Chefdirigenten den über mehrere Jahre sich erstreckenden Mahler-Zyklus auf höchstem Niveau fort. Wie schon in den früheren Eröffnungskonzerten in Kloster Eberbach sorgte Järvi dazu in der hallreichen Akustik der Basilika für eine erstaunliche Trennschärfe der Stimmen und Klangfarben. Viele Nebenstimmen und auch die teils mehrfache Teilung der Streicher wurden deutlich hörbar.

Eindeutig ungetrübte Momente

Den mit den Trompetensignalen anhebenden Trauermarsch hielt er – der Anweisung gemäß „In gemessenem Schritt/ Streng / Wie ein Kondukt“ – von der Stimmung her geschickt in der Schwebe. Dass dieser schwere Gang am Anfang und nicht am Ende steht, weckte sogar eigentlich Hoffnung. „Mit größter Vehemenz“ sah man sich im Folgenden aber zunächst in tumultöse Szenen gestürzt. Die Hässlichkeiten der Welt blieben ungeschönt im Schnarren der gestopften Blechbläserklänge und in der Dunkelheit, die etwa die Violinen „mit breitem Strich“ und weisungsgemäß auf der fett klingenden G-Saite in entlegenen Tonarten herbeiführten. Das Ende dieses zweiten Satz kam umso triumphaler.

Inwieweit der Idylle im Scherzo zu trauen sei, ließ Järvi ähnlich offen, auch im spielerischen ersten Trio. Eindeutig ungetrübte Momente ergab erst das zweite Trio mit den Pizzikati und den – laut Spielanweisung – „schüchtern“ und sehr liebenswürdig sich zu Wort meldenden Oboenstimmen. Dass die tänzerischen Züge in dem sonst aber sehr dichten Satz herauskamen, war schon eine Leistung, eine noch größere jedoch die Wendung ins Bedrohliche: ein Tanz auf dem Vulkan. Mit kernigem bis weichem Ton trug Samuel Seidenberg vorne am Bühnenrand stehend zur Vielgestaltigkeit mit dem obligaten Hornpart viel bei.

Unangestrengt und ohne zu forcieren

Das nur wenige Partiturseiten umfassende Adagietto wurde gleichwohl zum eigentlichen Zentrum der Sinfonie: eine Insel der Ruhe, gerade im Non-Vibrato der Streicher und ohne versüßte Chromatik wirkungsvoll. Das Finale, das wegen der vielen polyphonen Ansätze und der ständigen kleinen Soli die größte Transparenz braucht, stand von der sauberen Ausführung her nicht nach. Die für Mahlers Verhältnisse ungebrochene, positiv bekräftigende Schlusswirkung vermittelte sich stark.

Begonnen hatte das Konzert, das am Sonntag mit gleichem Programm und Unterstützung der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wiederholt wurde, mit den sieben frühen Liedern von Alban Berg und der ausgezeichneten Solistin Elina Garana. Dass die Farben der späteren Orchestrierung gegenüber der usprünglichen Fassung mit Klavier zu dem avancierteren, weniger spätromantischen Eindruck führen, wurde dabei doppelt deutlich: Passend etwa zu fahlen Tremoli am Steg oder helleren Klängen modifizierte die lettische Mezzosopranistin ihr biegsames Timbre. Unangestrengt und ohne zu forcieren, setzte sie mit ihrer großen Stimme wenige, aber markante Forte-Höhepunkte, stilistisch in durchaus passender Nähe zu Richard Strauss.

Der Fernsehmitschnitt ist noch einmal am 9. Juli von 20.15 Uhr an auf 3Sat zu sehen, der Radio-Mitschnitt beim ARD-Radiofestival auf allen angeschlossenen Sendern am 19. Juli von 20.05 Uhr an zu hören.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: Ansgar Klostermann
http://www.faz.net/artikel/C30722/rheingau-musik-festival-tanz-auf-dem-vulkan-30448841.html

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