Stürmisches und drängerisches Klanggerede
Wienerzeitung.at
Reinhard Kriechbaum
27.01.2014
© Eric Kabik
http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/musik/klassik_oper/603320_Stuermisches-und-draengerisches-Klanggerede.html
Reinhard Kriechbaum
27.01.2014
Salzburg. Gleich in den ersten Tagen der
Mozartwoche kam auch der nach Gluck zweite wesentliche Jahresregent ins
Programm: Die Zeitgenossen hielten hohe Stücke auf das Oratorium "Die
Auferstehung und Himmelfahrt Jesu" von Carl Philipp Emanuel Bach, wie
überhaupt der vor 300 Jahren geborene Bach-Sohn hoch in Kurs stand. Für
eine Wiener Aufführung im Umkreis des Barons van Swieten richtete Mozart
die Noten des damals (1788) noch keine 15 Jahre alten Werks ein. Wiener
Trompetern war damals nicht so viel zuzumuten wie Hamburger
Clarin-Bläsern.
Das
Urteil der Geschichte ist unbarmherzig, und je mehr Investment von
wohlmeinenden Aufführungspraktikern hineinfließt in ein solches Stück,
umso gravierender können Defizite hervortreten. So im Fall der
Salzburger Aufführung mit dem RIAS-Kammerchor und dem Freiburger
Barockorchester unter René Jacobs. Dieses Oratorium - inhaltlich reicht
es von Maria Magdalena über die Emmaus-Jünger, den ungläubigen Thomas
bis zur Himmelfahrt mit Pomp und Trompetengetöse - steht für Sturm und
Drang pur.
Expressive Reize
Keine musikalische Phrase, in der es nicht gärt, die nicht vordergründig knallt oder ins Sentimentale gleitet. So bündig das alles formuliert ist (80 Minuten ist ultrakurz für ein Oratorium dieser Epoche), lahmt es etwas in seiner Oberflächlichkeit. Das Ohr mag eben dann und wann auch mit einer hübschen Melodie verwöhnt und nicht nur expressiv gereizt werden. René Jacobs hat die Musiker- und Sängerschar (als Solisten Miah Persson, Maximilian Schmitt, Michael Nagy) mit gehöriger Virtuosität die Klangrede getreu exekutieren lassen. Aber es ist wohl so: Tiefenschärfe deckt in diesem Fall eher die Defizite der Komposition auf. Ihr Pech: Sie ist keine "Matthäuspassion" mehr und noch keine "Schöpfung".
Keine musikalische Phrase, in der es nicht gärt, die nicht vordergründig knallt oder ins Sentimentale gleitet. So bündig das alles formuliert ist (80 Minuten ist ultrakurz für ein Oratorium dieser Epoche), lahmt es etwas in seiner Oberflächlichkeit. Das Ohr mag eben dann und wann auch mit einer hübschen Melodie verwöhnt und nicht nur expressiv gereizt werden. René Jacobs hat die Musiker- und Sängerschar (als Solisten Miah Persson, Maximilian Schmitt, Michael Nagy) mit gehöriger Virtuosität die Klangrede getreu exekutieren lassen. Aber es ist wohl so: Tiefenschärfe deckt in diesem Fall eher die Defizite der Komposition auf. Ihr Pech: Sie ist keine "Matthäuspassion" mehr und noch keine "Schöpfung".
Am
Sonntagabend wieder Marc Minkowski und die Musiciens du Louvre
Grenoble, mit Rolando Villazon, einigen Mozart-Pretiosen und Dingen aus
Glucks "Orfeo ed Euridice", die in der heuer szenisch produzierten
Wiener Fassung der Oper nicht enthalten sind: immerhin der Reigen
seliger Geister und der Furientanz, also sehr bekannte Nummern.
Das
war mit der Minkowski eigenen Verve stimmig musiziert und von Villazón,
Chiara Skerath (Sopran), Julien Behr (Bass) gestalterisch mit der
nötigen Differenzierung gesungen. Am ersten der drei Salzburg-Konzerte
Samstag am Pult der Wiener Philharmoniker: Paavo Järvi.
Wer
seine beispielhafte Interpretation der Beethoven-Symphonien mit der
Kammerphilharmonie Bremen im Ohr hat, der war vielleicht enttäuscht, wie
sehr Mozart (die Symphonie in B-Dur KV 319 und die Haffner-Symphonie KV
385) nach Karl Böhm geklungen haben. Höchst gestrig - aber schon echt
gut! Wie hat sich in dieses Konzert Brahms-Violinkonzert verirrt? Und
wie die "Metamorphosen" von Richard Strauss? Ach ja, Letzterer hat 150.
Geburtstag.
Die 23 philharmonischen Solostreicher sind mit Vibrato zur
Potenz rangegangen. Das hat ordentlich depressiv gewabert. Dafür hat Brahms zuvor, mit dem mehr temperament- als planvoll sich in den Solopart stürzenden Joshua Bell, ordentlich geknallt. Aber im Brahms-Konzert hat Paavo Järvi genau gezeigt, wie er den Orchesterpart haben wollte: sehr durchhörbar und doch knackig.
Potenz rangegangen. Das hat ordentlich depressiv gewabert. Dafür hat Brahms zuvor, mit dem mehr temperament- als planvoll sich in den Solopart stürzenden Joshua Bell, ordentlich geknallt. Aber im Brahms-Konzert hat Paavo Järvi genau gezeigt, wie er den Orchesterpart haben wollte: sehr durchhörbar und doch knackig.
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