Dinner for Mozart
Klassik.com
Daniel Eberhard
20/12/2014
Nachdem sich das Beaux Arts Trio 2008 auflöste, hätte man meinen können, dies sei auch das Ende der Karriere von Pressler. Doch stattdessen ging er als Solokünstler mit einem Mozartprogramm auf Tournee und gab dabei unter anderem im stolzen Alter von 90 Jahren sein Debüt mit den Berliner Philharmonikern. Die Konzertmitschnitte mit Paavo Järvi und dem Orchestre de Paris vom 17. Oktober 2012 sowie vom 29. Januar 2014 aus dem Salle Pleyel Paris sind nun bei Euro Arts als DVD erschienen – eine geglückte Hommage an eine Klavierlegende, die immer wieder ihrem Anspruch ‚I’ll do my very best!’ nachkommt. Wie Pressler im Interview mit Paavo Järvi verdeutlicht, ist es im Alter nicht mehr die Suche nach Erfolgen und Bestätigung, sondern vielmehr der Wunsch, durch die große Lebenserfahrung in einen ganz speziellen Kontakt mit dem Publikum zu treten. Und das gelingt ihm in der Tat.
Poetisch zarte Süße
Presslers Anschlag ist nach wie vor perlend weich und zugleich von größter Intensität, die Phrasierung ist wohl durchdacht, die breiten Tempi fügen sich schlüssig dem interpretatorischen Gesamtkonzept – ein sehr poetisch romantischer Mozart wird hier modelliert. Pressler vermag mit seinen großen Bögen und schlichten Trillern trotz technischer Einschränkungen weitaus mehr zu erzählen als so mancher Pianist in seinen besten Jahren. Gleichzeitig ist Paavo Järvi mit üblich kammermusikalisch orientiertem Zugriff zu jeder Zeit eine Stütze, die große Rücksicht auf das Spiel Presslers nimmt.
Fehlende Würze
Dass man bei dieser Dinner-Party allerdings auch ab und zu über einen Tigerkopf stolpert, liegt nicht nur am Meister am Flügel. So hat das Orchester sicherlich auch seinen Anteil daran, dass das Klavierkonzert in A-Dur KV 488 im Vergleich zum zwei Jahre zuvor eingespielten B-Dur-Klavierkonzert KV 595 insgesamt temperamentloser erscheint. Der umfangreiche Pedaleinsatz und Unsauberkeiten bei schnellen Läufen werden gerne verziehen. Dass dann aber auch der von Pressler im Interview als so besonders hervorgehobene langsame Satz in fis-Moll eher matt bleibt, ernüchtert doch etwas. Gerade hier hätte man in Anbetracht der reichen Erfahrung des Pianisten noch größere Tragik, Abgründe und Zerrissenheit in der Deutung erwarten können.
Geschmackliche Höhepunkte
Wie das geht, zeigt er uns im zweiten Satz des Klavierkonzertes in B-Dur KV 595. Was Pressler hier allein der ersten achttaktigen Periode zu entlocken weiß, ist beeindruckend: Aus dem vorgeschriebenen 'Larghetto' wird vielmehr ein Largo oder Adagio, wodurch die ganze Fülle der Musik beleuchtet werden kann; der Halbschluss erfährt eine extreme Zuspitzung, während die Phrasenwiederholung nicht nur reine Wiederaufnahme darstellt, sondern bereits exzellent den Weg in die befreiende Kadenz ebnet. Trauer und Hoffnung, Klage und Trost – alles wird in diesem langsam atmenden Tempo und malerischen Anschlag Presslers offen gelegt, derweil die in diesem Klavierkonzert deutlich besser funktionierende Interaktion zwischen Klavier und Orchester für Atmosphäre sorgt.
Sanftes Dessert
Und doch strebt der tänzelnde Schlusssatz wieder allein das Grazile, Liebenswerte, Entzückende an, während man sich konsequent vor Schärfe und Bedrohlichkeit scheut. Dieser verzückende Mozart geht letzten Endes nur in eine Richtung – Ambiguitäten und Härten, die etwa bei Nikolaus Harnoncourt so gerne hervorgehoben werden, finden wir in dem schnörkellosen Orchesterteppich und dem reifen Spiel Presslers mit seelenvoll lyrischem Fokus nicht. Doch auch wenn weder Pressler noch Järvi am Ende in der Lage sind, die ganze Spannung in Mozarts Musik zu ergründen, ist die gestaltenreiche Tiefe im Klavierspiel in jedem Fall ungemein fesselnd. Gespannt sein darf man zudem, sollte Menahem Pressler auch mit 100 Jahren noch am Flügel sitzen, versprechen uns Järvi und Pressler im Interview doch scherzend eine Fortsetzung. Auf der vorliegenden DVD hat man schon jetzt die Ehre, mit einem romantischen Mozart die Treppe hoch geführt zu werden – zum eleganten, aber dezenten Mozart-Dinner.
http://magazin.klassik.com/reviews/reviews.cfm?TASK=REVIEW&RECID=27350&REID=15472
Daniel Eberhard
20/12/2014
Mozart, Wolfgang Amadeus - Klavierkonzerte Nr.23 & 27
Der 90-jährige Menahem Pressler bittet in Zusammenarbeit mit Paavo Järvi das Publikum zu einem charmanten Mozart-Menü.
Eine große Aura, eine herzerwärmende Freundlichkeit und
eine ergreifende Tiefe im Spiel verströmt der kleingewachsene Menahem
Pressler auch noch im hohen Alter – dass man dies unbedingt auf DVD
festhalten wollte, ist verständlich, zumal auch das Zusammentreffen
zweier so unterschiedlicher Persönlichkeiten seinen Reiz hat: Auf der
einen Seite der junge Paavo Järvi, bekannt für seinen schlanken,
detailgenauen und präzisen Zugriff, auf der anderen Seite ebenjener
Menahem Pressler, ehemaliger Kopf des legendären Beaux Arts Trios, der
den körperlichen Anstrengungen trotzt und das Publikum im Konzertsaal
weiterhin begeistert.Nachdem sich das Beaux Arts Trio 2008 auflöste, hätte man meinen können, dies sei auch das Ende der Karriere von Pressler. Doch stattdessen ging er als Solokünstler mit einem Mozartprogramm auf Tournee und gab dabei unter anderem im stolzen Alter von 90 Jahren sein Debüt mit den Berliner Philharmonikern. Die Konzertmitschnitte mit Paavo Järvi und dem Orchestre de Paris vom 17. Oktober 2012 sowie vom 29. Januar 2014 aus dem Salle Pleyel Paris sind nun bei Euro Arts als DVD erschienen – eine geglückte Hommage an eine Klavierlegende, die immer wieder ihrem Anspruch ‚I’ll do my very best!’ nachkommt. Wie Pressler im Interview mit Paavo Järvi verdeutlicht, ist es im Alter nicht mehr die Suche nach Erfolgen und Bestätigung, sondern vielmehr der Wunsch, durch die große Lebenserfahrung in einen ganz speziellen Kontakt mit dem Publikum zu treten. Und das gelingt ihm in der Tat.
Poetisch zarte Süße
Presslers Anschlag ist nach wie vor perlend weich und zugleich von größter Intensität, die Phrasierung ist wohl durchdacht, die breiten Tempi fügen sich schlüssig dem interpretatorischen Gesamtkonzept – ein sehr poetisch romantischer Mozart wird hier modelliert. Pressler vermag mit seinen großen Bögen und schlichten Trillern trotz technischer Einschränkungen weitaus mehr zu erzählen als so mancher Pianist in seinen besten Jahren. Gleichzeitig ist Paavo Järvi mit üblich kammermusikalisch orientiertem Zugriff zu jeder Zeit eine Stütze, die große Rücksicht auf das Spiel Presslers nimmt.
Fehlende Würze
Dass man bei dieser Dinner-Party allerdings auch ab und zu über einen Tigerkopf stolpert, liegt nicht nur am Meister am Flügel. So hat das Orchester sicherlich auch seinen Anteil daran, dass das Klavierkonzert in A-Dur KV 488 im Vergleich zum zwei Jahre zuvor eingespielten B-Dur-Klavierkonzert KV 595 insgesamt temperamentloser erscheint. Der umfangreiche Pedaleinsatz und Unsauberkeiten bei schnellen Läufen werden gerne verziehen. Dass dann aber auch der von Pressler im Interview als so besonders hervorgehobene langsame Satz in fis-Moll eher matt bleibt, ernüchtert doch etwas. Gerade hier hätte man in Anbetracht der reichen Erfahrung des Pianisten noch größere Tragik, Abgründe und Zerrissenheit in der Deutung erwarten können.
Geschmackliche Höhepunkte
Wie das geht, zeigt er uns im zweiten Satz des Klavierkonzertes in B-Dur KV 595. Was Pressler hier allein der ersten achttaktigen Periode zu entlocken weiß, ist beeindruckend: Aus dem vorgeschriebenen 'Larghetto' wird vielmehr ein Largo oder Adagio, wodurch die ganze Fülle der Musik beleuchtet werden kann; der Halbschluss erfährt eine extreme Zuspitzung, während die Phrasenwiederholung nicht nur reine Wiederaufnahme darstellt, sondern bereits exzellent den Weg in die befreiende Kadenz ebnet. Trauer und Hoffnung, Klage und Trost – alles wird in diesem langsam atmenden Tempo und malerischen Anschlag Presslers offen gelegt, derweil die in diesem Klavierkonzert deutlich besser funktionierende Interaktion zwischen Klavier und Orchester für Atmosphäre sorgt.
Sanftes Dessert
Und doch strebt der tänzelnde Schlusssatz wieder allein das Grazile, Liebenswerte, Entzückende an, während man sich konsequent vor Schärfe und Bedrohlichkeit scheut. Dieser verzückende Mozart geht letzten Endes nur in eine Richtung – Ambiguitäten und Härten, die etwa bei Nikolaus Harnoncourt so gerne hervorgehoben werden, finden wir in dem schnörkellosen Orchesterteppich und dem reifen Spiel Presslers mit seelenvoll lyrischem Fokus nicht. Doch auch wenn weder Pressler noch Järvi am Ende in der Lage sind, die ganze Spannung in Mozarts Musik zu ergründen, ist die gestaltenreiche Tiefe im Klavierspiel in jedem Fall ungemein fesselnd. Gespannt sein darf man zudem, sollte Menahem Pressler auch mit 100 Jahren noch am Flügel sitzen, versprechen uns Järvi und Pressler im Interview doch scherzend eine Fortsetzung. Auf der vorliegenden DVD hat man schon jetzt die Ehre, mit einem romantischen Mozart die Treppe hoch geführt zu werden – zum eleganten, aber dezenten Mozart-Dinner.
Interpretation:**** Klangqualität:**** Repertoirewert: *** Booklet: *** Features:**** Regie:**** |
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