Hilary Hahn spielte mit fast beängstigender Perfektion
Abendblatt.de
Verena Fischer-Zernin
08/05/2015
Verena Fischer-Zernin
08/05/2015
Hamburg. Ouvertüre, Solokonzert, Sinfonie – so geht das
konventionelle Strickmuster für ein Orchesterkonzert. Sagt aber noch
nichts darüber, wie die Musik dann rüberkommt. Zumal nicht bei der
Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Die scheut sich nicht, ganze Abende
mit Werken des sinfonischen Kernrepertoires zu bestreiten. Doch was die
Musiker dann daraus machen, das ist jedes Mal wieder so aufregend, als
hörte man die Musik zum ersten Mal.
Beim jüngsten
Konzert der musikalischen Taskforce von der Weser mochte das zumindest
auf Henri Vieuxtemps' Violinkonzert Nr. 4 sogar zutreffen. Gemeinhin
sagt der Name des französischen Komponisten nur Geigern etwas, die
dürfen sich nämlich mit seinem virtuosen Oeuvre zu Ausbildungszwecken
herumschlagen.
In der Laeiszhalle freilich hatte das
Konzert nicht die Spur Etüdenhaftes. Die Musiker und ihr Dirigent Paavo
Järvi behandelten es ohne falsche Süße, aber umso suggestiver. Eine
Einleitung so ernst und fahl, als wäre sie eine späte Fassung der
"Vorstellung des Chaos" aus Haydns "Schöpfung". Opernhaft die
Szenenwechsel, der letzte Satz jubelte beinahe wie der aus Mendelssohns
Violinkonzert e-Moll. Die hochschwangere Hilary Hahn spielte all die
Oktavläufe, Flageoletts und Doppelgriffe mit fast beängstigender
Perfektion. Vor allem aber verlieh sie, die sonst so leicht
überkontrolliert wirkt, dieser eine tänzerische Leichtigkeit.
Beethovens
"Egmont"-Ouvertüre zu Beginn war ein Drama in zehn Minuten. Wie
pechschwarz und gleichzeitig seidenglatt kam das Thema des Allegro-Teils
daher – im nächsten Moment peitschten die Bögen nur so. Und das Dur am
Schluss strahlte zum Fürchten wie eine Kriegserklärung.
Schuberts
Neunte nach der Pause schien an den "Egmont" direkt anzuschließen.
Nichts Weihevolles umwaberte das Stück. Jeder Wechsel in den Stimmen war
zu erkennen in diesem feinen Gewebe. Es klang, als gingen sie alle
zusammen auf die Suche nach einer höheren Wahrheit in der Natur. Die
Generalpausen taten sich auf wie Abgründe, so dass der ganze Saal den
Atem anhielt.
Das Wichtigste geschieht eben zwischen den Noten. Wer könnte das eindrücklicher vorführen als die Deutsche Kammerphilharmonie?
http://m.abendblatt.de/kultur-live/article205303523/Hilary-Hahn-spielte-mit-fast-beaengstigender-Perfektion.html
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