Sol Gabetta bringt das Cello zum Singen

Frankfurter Neue Presse Stadt

MANFRED MERZ

10.05.2023


Frankfurt – Ihr Faible für wallen- de Gewänder ist bekannt. Beim Pro-Arte-Konzert in der Alten Oper Frankfurt schwebt Sol Ga- betta mit ihrem italienischen Cel- lo auf die Bühne, umweht von ei- nem pastellblauen chiffonähnli- chen Gewebe, das sie in einer Mi- schung aus Gardine, Kleid und Engelskostüm transparent um- schmeichelt, um die Virtuosin zu einem Juwel zu stilisieren, das die Sonne im Namen und die Musik im Herzen trägt.

Gabetta wirkt dennoch etwas blass um die Nase. Ihr Spiel nicht. Sie fängt den geballten romanti- schen Schmelz des Konzerts für Cello und Orchester a-Moll op. 129 von Robert Schumann so liebrei- zend ein, als sei der Komponist bei ihr zum Kaffee zu Gast. Die 42-Jährige bringt die drei nahtlos ineinandergreifenden Sätze zum Singen. Ihre Interpretation wirkt dicht und konzentriert. Die Schlusskadenz im Finale mit ih- ren akrobatischen Abwärtsläufen und den wuchtigen Griffkaskaden ist allein den Besuch des Konzerts wert.

Den musikalischen Rahmen für die in der Schweiz lebende Argen-

tinierin formt die Deutsche Kam- merphilharmonie Bremen mit ih- rem künstlerischen Leiter Paavo Järvi. „Gipfeltreffen“ nannten sie ihren Tour-Auftakt in Bremen, womöglich weil Gabetta und Järvi zu den Stars der Szene zählen oder weil Klassik und Romantik im Gepäck sind.

Als Zugabe gewähren Gabetta und das Orchester die für Solo- Cello bearbeitete Arie des Dich- ters Lenski aus der Oper „Eugen Onegin“ von Tschaikowsky. Ge- rahmt wird der Auftritt von zwei Haydn-Sinfonien. Zur Eröffnung Nr. 93 D-Dur, die erste seiner zwölf London-Sinfonien. Nach der Pause steht Nr. 104 D-Dur auf dem Programm, die letzte des Dut- zends. Zweimal D-Dur, da muss der frohgemute Hörer durch.

Die Bremer Musikanten sind bestens präpariert. Alle acht Sätze klingen nach Symbiose, nach dem Besten des Besten aus jener Zeit am Ende des 18. Jahrhun- derts. Järvi am Pult lächelt ge- wohnt verschmitzt, sein Dirigat wird zu einem fröhlichen Win- ken. Der Applaus am Schluss ist groß. Die Tritsch-Tratsch-Polka von Johann Strauß fungiert er- folgreich als Rausschmeißer.



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