Frankfurt interview

Das Beste zweier Welten
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Paavo Järvi & Cincinnati Symphony Orchestra


VON STEFAN SCHICKHAUS


Paavo Järvi weiß, was er will. Das Cincinnati Symphony Orchestra, das der in Estland geborene Dirigent seit 2001 leitet, möchte er als das europäischste Orchester der USA anerkannt wissen - mit typisch "amerikanischer Brillanz und technischer Versiertheit, dabei aber mit europäischer Sensibilität und Klangkultur". Das Beste zweier Welten eben.Und Paavo Järvi ist selbstbewusst. So setzte er zum Auftakt seiner zwölf Konzerte in fünf Ländern umfassenden Europa-Tournee zwei Großwerke aufs Programm, jedes stellvertretend für eine Welt: Zuerst Rachmaninows drittes Klavierkonzert, vor 99 Jahren für dem amerikanischen Markt komponiert, dann die noch etwas ausladendere neunte Sinfonie von Franz Schubert, eine Mutter-Sinfonie der deutschen Romantik.

Dieser Tournee-Auftakt übrigens fand in Frankfurt statt, in der Alten Oper, und war damit eine Art Heimspiel für Järvi. Denn hier erprobt er als Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters regelmäßig den zentraleuropäischen Klang. Wobei das Wort von den festgeschriebenen Klangkulturen für einen modernen Dirigenten wie dem 45-jährigen Järvi nicht mehr gelten darf. En Orchester von heute muss die "kollektive Intelligenz aufbringen, jeden vom Werk verlangten Klang herzustellen". Muss also, das soll diese CSO-Tournee unter Beweis stellen, Rachmaninow und Schubert gleichermaßen stilgenau und damit entsprechend klar voneinander abgegrenzt musizieren können.Rachmaninows Drittes setzte das Orchester aus Cincinnati, das nie auf der antiquierten Liste der Big Five stand, erwartbar kraftvoll um, wider Erwarten aber mit einiger Distanz zum Solisten im Mittelsatz. Mit Nikolai Lugansky spielte einer der mit Rachmaninow besonders innig vertrauten Pianisten den Solo-Part, und in diesem Adagio-Intermezzo tat er das überaus prägnant, mit mehr Muskelspiel als vom Filigrankünstler Lugansky gewohnt. Das Tutti blieb da außen vor, blieb vom Gestaltungszentrum am Flügel isoliert.Schuberts Neunte dann: Klanglich völlig andersartig, kernig und kantig. In der langsamen Einleitung ein Moment der Unsicherheit, doch danach zeigten Järvi und seine Musiker aus Ohio ein zugespitztes, federndes, drängendes Musizieren, mit einem Hauch von Tanz. Dieser Schubert ist Järvis Fortpflanzung seines so furiosen Beethovens, den er gerade mit seinem dritten Orchester, der Kammerphilharmonie Bremen, realisiert. Die nötigen Mittel stellen seine universellen Amerikaner jederzeit bereit.

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