Hamburger Abendblatt Review, 14 February 2005
Even I could tell from my rather lame Google translation that this is a very good review. It sounds like La Valse was a major crowd-pleaser, too. I had a feeling it would be!
Die Fratze hinter der Walzerseligkeit
von Bettina Brinker
Hamburger Abendblatt, 14. Februar 2005
Hamburg - Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei . . . Alles dreht sich. Immer schneller und immer toller. Ob links oder rechts herum ist unwichtig. Denn egal in welcher Richtung man in diesem perfiden Walzer mittanzt, mit jedem Schritt gerät man näher an den Abgrund. Ravels "La Valse" ist keine augenzwinkernde Parodie auf die Walzerhochburg Wien, sondern eine doppelbödige Klangorgie ohne gemütliche Dreivierteltakt-Drehungen.
Als hedonistischen Totentanz inszenierte der estnische Dirigent Paavo Järvi Ravels "La Valse" in der Sonntags-Matinee des NDR Sinfonieorchesters. Wie aus der Ferne ließ er das gesamte Personal des Wiener Opernballs aufmarschieren, einschließlich seines Walzerkönigs Johann Strauß. Doch die Walzerseligkeit entwickelt sich immer mehr zum zwanghaften Taumel. Die Gesichter wirken verzerrt, niemand kann dem Sog der Musik entrinnen. Auch die Zuhörer nicht. Sie waren berauscht vom beißend-humoristischen Spiel der NDR-Musiker.
Schon vorher hatten sie gezeigt, wie bilderreich sie musizieren können. Wie ein Maler mit seinen Farben, so hantierten sie mit Debussys Tönen. Hell zerfließende und mild gestrichelte Klänge entlockten sie ihren Instrumenten und beschworen mythische Naturbilder: sowohl im "Prélude à l'après-midi d'un faune" als auch in den "Trois Nocturnes". Ein raffiniertes Spiel mit Licht, Luft und Farbe war das. Sinnliche Stimmungsbilder. Impressionistisch? Debussy hat sich gegen eine solche Einordnung gewehrt. Impressionen aber waren das allemal. Man denke ans Ende des ersten Nocturnes "Nuages", wo man zu sehen glaubt, wie sich der Himmel bewölkt. Oder an den Schluß von "Sirènes", wo die Zeit einfach stehenbleibt und der Hörer jeder Wirklichkeit entrückt wird.
Gelassen virtuos interpretierte die junge georgische Geigerin Lisa Batiashvili außerdem Prokofjews 1. Violinkonzert. Bezaubernd: ihr schöner, sensibler, manchmal auch fragil-brüchiger Ton (besonders zu Beginn des 1. Satzes). Hinreißend: Ihr ungebändigter Ausdruckswille, mit dem sie alle Nuancen und Stimmungen ihres Parts auslotete und ihre Geige auch mal zur Zigeunerfidel umfunktionierte. Verdiente Bravos für die meisterhafte Geigerin - und ihre hellhörigen Begleiter!
* Wiederholung: heute, 20 Uhr, Laeiszhalle, großer Saal, Kartentelefon: 0180/178 79 80
Die Fratze hinter der Walzerseligkeit
von Bettina Brinker
Hamburger Abendblatt, 14. Februar 2005
Hamburg - Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei . . . Alles dreht sich. Immer schneller und immer toller. Ob links oder rechts herum ist unwichtig. Denn egal in welcher Richtung man in diesem perfiden Walzer mittanzt, mit jedem Schritt gerät man näher an den Abgrund. Ravels "La Valse" ist keine augenzwinkernde Parodie auf die Walzerhochburg Wien, sondern eine doppelbödige Klangorgie ohne gemütliche Dreivierteltakt-Drehungen.
Als hedonistischen Totentanz inszenierte der estnische Dirigent Paavo Järvi Ravels "La Valse" in der Sonntags-Matinee des NDR Sinfonieorchesters. Wie aus der Ferne ließ er das gesamte Personal des Wiener Opernballs aufmarschieren, einschließlich seines Walzerkönigs Johann Strauß. Doch die Walzerseligkeit entwickelt sich immer mehr zum zwanghaften Taumel. Die Gesichter wirken verzerrt, niemand kann dem Sog der Musik entrinnen. Auch die Zuhörer nicht. Sie waren berauscht vom beißend-humoristischen Spiel der NDR-Musiker.
Schon vorher hatten sie gezeigt, wie bilderreich sie musizieren können. Wie ein Maler mit seinen Farben, so hantierten sie mit Debussys Tönen. Hell zerfließende und mild gestrichelte Klänge entlockten sie ihren Instrumenten und beschworen mythische Naturbilder: sowohl im "Prélude à l'après-midi d'un faune" als auch in den "Trois Nocturnes". Ein raffiniertes Spiel mit Licht, Luft und Farbe war das. Sinnliche Stimmungsbilder. Impressionistisch? Debussy hat sich gegen eine solche Einordnung gewehrt. Impressionen aber waren das allemal. Man denke ans Ende des ersten Nocturnes "Nuages", wo man zu sehen glaubt, wie sich der Himmel bewölkt. Oder an den Schluß von "Sirènes", wo die Zeit einfach stehenbleibt und der Hörer jeder Wirklichkeit entrückt wird.
Gelassen virtuos interpretierte die junge georgische Geigerin Lisa Batiashvili außerdem Prokofjews 1. Violinkonzert. Bezaubernd: ihr schöner, sensibler, manchmal auch fragil-brüchiger Ton (besonders zu Beginn des 1. Satzes). Hinreißend: Ihr ungebändigter Ausdruckswille, mit dem sie alle Nuancen und Stimmungen ihres Parts auslotete und ihre Geige auch mal zur Zigeunerfidel umfunktionierte. Verdiente Bravos für die meisterhafte Geigerin - und ihre hellhörigen Begleiter!
* Wiederholung: heute, 20 Uhr, Laeiszhalle, großer Saal, Kartentelefon: 0180/178 79 80
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