Glowing Die Welt Review of Hamburg Concert
Peter Krause of Die Welt found a lot to like about the February 14 Hamburg concert!
Perfektion in jedem Ton der fein schattierten Impression
Das NDR-Sinfonieorchester unter Paavo Järvi und die Violinistin Lisa Batiashvili begeisterten in der Musikhalle
von Peter Krause
Die Welt, 16. Februar 2005
Schwerelos glitten sie auf einem sanft schwingenden See über allerdünnstes Eis. Nur ein Hauch mehr an Vibrato oder Bogendruck - und die gläsern hochgespannte Fläche hätte in ihrem Bersten die in luxuriöser Differenzierung musizierenden Spieler des NDR Sinfonieorchesters unter sich begraben. Dank Paavo Järvi, dem Maestro aus Estland und Sohn des berühmten Dirigenten Neeme Järvi, war diese Gefahr am Montag gebannt.
Denn die irisierenden, gänsehautspendenden Klangspiele eines Debussy oder Ravel hat Järvi in der Musikhalle in jeder Nuance sensibel ausgehört, hat Schicht um Schicht der sphärischen Farbmusiken behutsam übereinander gelegt. Das war Impressionismus vom Feinsten und zudem vom Klügsten. Denn die Abkehr vom romantischen Sentiment und konkret ausgedrückten Gefühl verführt ja allzu leicht zu jener poetischen Verschleierung der Expression in verschwommen ungefähren Impressionen.
Am Ausgang des 19. Jahrhunderts drohte ein klangdichterischer Ästhetizismus musikalischer Auflösungssymptome: Tönende Nebelschwaden statt klingender Seelenlandschaften. Debussy und sein kongenialer Nachschöpfer Järvi wußten, daß es eben nicht reicht, die avancierte harmonische Basis des Tristan unendlich zu weiten, um in einem unbestimmten Wellenmeer geschmeidiger Reihungen und Rückungen oder fernöstlicher Skalen baden zu gehen. An die Stelle harmonischer Ankerplätze trat vielmehr das offene Changieren mit unendlichen Valeurs orchestraler Farbigkeit, die zum dominanten Parameter dieser Klangsprache mutierte. Debussys Préludes à l'après-midi d'un faune folgt Gestalten des von ihm bewunderten Symbolisten Stéphane Mallarmé. Subjekt des Poems ist jener verliebte Faun, der sich in nachmittäglicher Sommerhitze Flöte spielend manch wollüstigen Träumereien über zwei Nymphen hingibt. Wie geschmeidig stimmte die Flöte hier ihren lustvollen Gesang an, der einmal mehr auf Debussys späteres, entrücktes Flötensolostück Syrinx vorauswies. Wie wundervoll austariert und im Pianissimo abschattiert breitete das Orchester jenen mystisch verhangenen Streicherteppich schwirrender Atmosphären aus.
Eine nicht minder ausgefeilte Zauberkunst nächtlicher Lichtstimmungen entfaltete Järvi in den Trois Nocturne des Franzosen. Dem fast reglosen Himmelsflirren der Nuages folgt das furios entfesselte Hexenwerk dieser Klangstudie in Grau. Dem verführerischen Säuseln der todbringenden Wassernixen der finalen Sirènes liehen die Damen des NDR Chores mit schwebenden Vokalisen ihren Stimmen. Eine Spur ätherischer, ja körperloser hätten sie singen mögen, doch modellierte Järvi die magischen Klangströme elegant, modulationsreich, ja berückend schön.
In Ravels choreographisches Poem La Valse, zunächst geplant als Apotheose des Wiener Walzers und für Serge Diaghilews Ballets Russes komponiert, lugen wild wogende Walzerklänge immer frecher herein, bis sie sich überheblich ausbreiten und behaupten, um letztlich als taumelnder Tanz auf dem Vulkan in negativer Übersteigerung zu explodieren: 1919 konnte die Straußsche Walzerseeligkeit über politische Unruhen und Umbrüche kaum mehr hinwegtäuschen. Prokofjews erstes Violinkonzert war das rechte Bindeglied zwischen Debussy und Ravel: Der wie tonlos gehauchten Kantilene des Beginns steht im Scherzo eine grotesk überreizte Rhythmik gegenüber. Lisa Batiashvilis tollkühne, kühle Brillanz, ihre traumwandlerisch intonierten Doppelgriffe, ihr aberwitziges Temperament machten atemlos. Ein nur äußerlich zartbesaitetes Teufelsweib ritt mit göttlichem Stradivariton übers Eis, das mächtig bebte.
Perfektion in jedem Ton der fein schattierten Impression
Das NDR-Sinfonieorchester unter Paavo Järvi und die Violinistin Lisa Batiashvili begeisterten in der Musikhalle
von Peter Krause
Die Welt, 16. Februar 2005
Schwerelos glitten sie auf einem sanft schwingenden See über allerdünnstes Eis. Nur ein Hauch mehr an Vibrato oder Bogendruck - und die gläsern hochgespannte Fläche hätte in ihrem Bersten die in luxuriöser Differenzierung musizierenden Spieler des NDR Sinfonieorchesters unter sich begraben. Dank Paavo Järvi, dem Maestro aus Estland und Sohn des berühmten Dirigenten Neeme Järvi, war diese Gefahr am Montag gebannt.
Denn die irisierenden, gänsehautspendenden Klangspiele eines Debussy oder Ravel hat Järvi in der Musikhalle in jeder Nuance sensibel ausgehört, hat Schicht um Schicht der sphärischen Farbmusiken behutsam übereinander gelegt. Das war Impressionismus vom Feinsten und zudem vom Klügsten. Denn die Abkehr vom romantischen Sentiment und konkret ausgedrückten Gefühl verführt ja allzu leicht zu jener poetischen Verschleierung der Expression in verschwommen ungefähren Impressionen.
Am Ausgang des 19. Jahrhunderts drohte ein klangdichterischer Ästhetizismus musikalischer Auflösungssymptome: Tönende Nebelschwaden statt klingender Seelenlandschaften. Debussy und sein kongenialer Nachschöpfer Järvi wußten, daß es eben nicht reicht, die avancierte harmonische Basis des Tristan unendlich zu weiten, um in einem unbestimmten Wellenmeer geschmeidiger Reihungen und Rückungen oder fernöstlicher Skalen baden zu gehen. An die Stelle harmonischer Ankerplätze trat vielmehr das offene Changieren mit unendlichen Valeurs orchestraler Farbigkeit, die zum dominanten Parameter dieser Klangsprache mutierte. Debussys Préludes à l'après-midi d'un faune folgt Gestalten des von ihm bewunderten Symbolisten Stéphane Mallarmé. Subjekt des Poems ist jener verliebte Faun, der sich in nachmittäglicher Sommerhitze Flöte spielend manch wollüstigen Träumereien über zwei Nymphen hingibt. Wie geschmeidig stimmte die Flöte hier ihren lustvollen Gesang an, der einmal mehr auf Debussys späteres, entrücktes Flötensolostück Syrinx vorauswies. Wie wundervoll austariert und im Pianissimo abschattiert breitete das Orchester jenen mystisch verhangenen Streicherteppich schwirrender Atmosphären aus.
Eine nicht minder ausgefeilte Zauberkunst nächtlicher Lichtstimmungen entfaltete Järvi in den Trois Nocturne des Franzosen. Dem fast reglosen Himmelsflirren der Nuages folgt das furios entfesselte Hexenwerk dieser Klangstudie in Grau. Dem verführerischen Säuseln der todbringenden Wassernixen der finalen Sirènes liehen die Damen des NDR Chores mit schwebenden Vokalisen ihren Stimmen. Eine Spur ätherischer, ja körperloser hätten sie singen mögen, doch modellierte Järvi die magischen Klangströme elegant, modulationsreich, ja berückend schön.
In Ravels choreographisches Poem La Valse, zunächst geplant als Apotheose des Wiener Walzers und für Serge Diaghilews Ballets Russes komponiert, lugen wild wogende Walzerklänge immer frecher herein, bis sie sich überheblich ausbreiten und behaupten, um letztlich als taumelnder Tanz auf dem Vulkan in negativer Übersteigerung zu explodieren: 1919 konnte die Straußsche Walzerseeligkeit über politische Unruhen und Umbrüche kaum mehr hinwegtäuschen. Prokofjews erstes Violinkonzert war das rechte Bindeglied zwischen Debussy und Ravel: Der wie tonlos gehauchten Kantilene des Beginns steht im Scherzo eine grotesk überreizte Rhythmik gegenüber. Lisa Batiashvilis tollkühne, kühle Brillanz, ihre traumwandlerisch intonierten Doppelgriffe, ihr aberwitziges Temperament machten atemlos. Ein nur äußerlich zartbesaitetes Teufelsweib ritt mit göttlichem Stradivariton übers Eis, das mächtig bebte.
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