Freundliche Ansichten: Paavo Järvi und Truls Mörk in Paris

Ah! Those wiley critics! Just when I thought I had exhausted all of the possibilities for finding another source for a review for Paavo's Paris concert last week, suddenly, what should appear in my e-mail's IN box, but a link to a review of the French concert written in German from klassik.com!

Paris > Théâtre des Champs-Elysées - 18.02.2005
Orchestre Philharmonic, P.Jaervi, T.Moerk > Martinu, Schumann, Dvoràk
Freundliche Ansichten: Paavo Järvi und Truls Mörk in Paris


Kritik von Alexander Gurdon

Ein ganzes Rudel Cellokästen hatte sich vor dem Théâtre des Champs-Elysées versammelt und tanzte lustig auf den Rücken ihrer Besitzer hin und her. Dieses Meer aus schwankenden Celloköpfen über der Menge der Zuschauer, die sich noch eine Karte kaufen wollten, hätte spätestens darauf hingewiesen, dass am gestrigen Abend ein besonderer Leckerbissen all diese Musiker angezogen hatte: Schumanns Cellokonzert stand auf dem Programm mit niemand geringerem als dem Norwegen Truls Mörk, in wohlbekannter Begleitung durch den estnischen Dirigenten Paavo Järvi und das Orchestre Philharmonique de Radio France. Mörk und Järvi haben schon in der Vergangenheit immer wieder miteinander begeistert, und von Schumanns Cellokonzert liegt sogar mit eben jenem Orchestre Philharmonique eine neue Einspielung bei Virgin vor, so dass man sich gewiss sein konnte, kein halbherziges oder flüchtig durchdachtes Konzert präsentiert zu bekommen.

Tschechisch – amerikanisch

Als frische, unglaublich beschwingte Eröffnung stand aber zunächst die 2. Sinfonie von Bohuslav Martinu auf dem Plan. Martinu, der alle seine Sinfonien in Amerika nach seiner Auswanderung komponierte, hatte für jene Sinfonie den Auftrag durch die in Ohio lebenden Tschechen bekommen und später wurde sie von niemand geringerem als George Szell und dem Cleveland Orchestra aus der Taufe gehoben.

Mit dieser klanglichen Synthese aus tschechischer Musik-Tradition und amerikanischen Einflüssen, die aber doch so ganz in der eigenen Musiksprache Martinus steht, gelang Paavo Järvi und dem Orchestre Philharmonique eine rhythmisch brillant funkelnde und griffig-kompakte Interpretation. Das unterschwellige Pulsieren, das sich durch den gesamten ersten Satz zog, war nie so greifbar, dass man es hätte definieren können, aber doch immer so mit der Melodie und dem Ausdruck des Satzes im Einklang, dass Stimmung und diese Art von quirliger Freude wirklich perfekt gerieten. Dieses Klangbild durchzog die gesamte Sinfonie, keine Ausfälle trübten die herrlichen Soli in den Holzbläsern und auch so manch schmachtende Streicherpassagen ließ Järvi voluminös in das Theater gleiten.

Norwegisch – deutsch

Nun folgte Schumanns Cellokonzert, für viele der Erscheinungsgrund an diesem Abend, wie man auch an der gespannten Atmosphäre merken konnte. Der hünenhafte Truls Mörk schien zunächst etwas verloren auf der kleinen Bühne, viel Platz bot sich ihm nicht auf dem kleinen Podest, ganz nah an den Geigen postiert. Doch ab dem ersten Ton vergaß man eh alles um ihn herum, das einzige was noch zählte, war sein üppiger, warmer, berührender Ton, den er mit Gefühl in sein Montagnana-Cello von 1723 massierte. Besonders im langsamen Mittelsatz öffneten sich so neue Welten, die träumen ließen, auch dank der hervorragenden 1.Cellistin des Orchesters, die die vielen gemeinsamen Soli mit Bedacht und Empfindung musizierte. Hier blitzte dann auch ein ums andere Mal jener Klang auf, den man manchmal als den nordischen Klang beschreibt: mit einer gewissen Reserviertheit erging sich Mörk nicht in platt-romantischen Klischees, sondern schaffte auch manche kühl-glühenden Eindrücke, die Schumann in einem gänzlich neuen Gewand zeigten. Die Ecksätze sprühten dann nur so von der einkomponierten Virtuosität, die von allen Seiten makellos erklang, nur ein manches Mal hätte man sich mehr Tiefe in der Interpretation gewünscht: stets frisch und heiter standen diese Sätze mehr im Zeichen von Lebensfreude und unbekümmertem Musikgenuss, doch in Anbetracht von Schumanns schwerer, damals bereits stark fortgeschrittener Nervenkrankheit hätten etwas dunklere Ansätze hier noch neue Erleuchtungen bieten können.

Estnisch – französisch – tschechisch

Abschluss des Abends war Dvoráks 7. Sinfonie, womit ein deutlicher Bogen wieder zu Martinu geschlagen wurde, und man so quasi zu den tschechischen Ursprüngen zurückgeführt wurde. Dass diese 7. Sinfonie eigentlich Dvoráks dramatischste und düsterste ist, erfuhr man dann leider nicht durchgängig, und auch all die Mühe und der Schweiß, die aufgebracht worden waren, um Martinu beeindruckend zum Leben zu erwecken, hätten dieser Sinfonie sehr gut getan. So merkte man leider ein ums andere Mal, dass diese Sinfonie mehr zum gängigen Repertoire gehört und so schlichen sich einige rhythmische Unstimmigkeiten und generelle Abspracheprobleme in das Werk, die in Martinus Sinfonie eine knappe Stunde vorher noch undenkbar gewesen wären.

Nichtsdestotrotz gestaltete der stets charmante und sympathische Järvi seinen Dvorák abwechslungsreich, weiche wuchtige Akzente kennzeichneten den ersten Satz, wundervolle Soli der Holzbläser erinnerten an die vielen böhmischen Sehnsüchte, die aber leider durch das allzu rasche Tempo dieses ’poco adagio’ nicht viel Raum zur Entwicklung bekamen. Die unverhohlene Dramatik des letzen Satzes färbte Järvi dann wieder eher sympathisch-positiv als konsequent melancholisch-düster, so dass das Konzept der Sinfonie leider nicht ganz aufging. In den großen Tuttipassagen war es dann aber wieder das Orchestre Philharmonique, das durch seine Begeisterungsfähigkeit und bedingungslose Musikalität fast alles herumriss und Freude über den satten Klang aufkommen ließ (wobei die Hörner ein ums andere Mal der fatalen Akustik des Theaters erlagen, da sie zu weit hinten und zu sehr im leeren Raum saßen).

Insgesamt ein sehr abwechslungsreicher, bunter, frischer, aber auch anrührender Konzertabend, der in Schumanns Cellokonzert herrliche neue Seiten offenbarte, mit Martinus Sinfonie neue Wege in die Zukunft wies (sowohl musikalisch als auch für Konzertplanungen), um dann leider im Dvorák so manche Einbuße zu kassieren.

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