Berliner Zeitung Review, 7 February 2005

Husten und husten lassen
Paavo Järvi, Tanja Tetzlaff und das DSO spielten Bartók und Schostakowitsch
von Wolfgang Fuhrmann
Berliner Zeitung, 7 February 2005

Die Cellistin Tanja Tetzlaff muss Nerven wie Stahlseile haben. Während sie am Sonnabend das berückende Moderato aus Dimitri Schostakowitschs erstem Cellokonzert spielte, setzte das Publikum seine eigene interaktive Rauminstallation in Gang: Je inniger, zarter und verhaltener Tetzlaff spielte, desto schnaubender wurde geniest, desto explosiver gehustet, und dies im Großen Saal der Philharmonie mit ausgeklügelter Raumdramaturgie: mal vom Rang links, mal aus dem Parkett, und so weiter. Nach dem souverän bewältigten Finalsatz - so weit man von Souveränität sprechen kann in diesem Konzert, das den Solisten in den schnellen Sätzen in eine Art Musikvollzugsanstalt versetzt - hatte Tetzlaff auch noch die Größe, eine Bach-Zugabe zu spielen, voll tänzerischer Grazie.

Die außerordentliche Spannung, die sich in Schostakowitschs Konzert zwischen motorischer Unterwerfung und privater Aussprache hergestellt hatte, war auch das Verdienst des Dirigenten. Paavo Järvi, der Sohn des als Orchesterleiter berühmten Neeme Järvi, hat die Unerbittlichkeit und Atemlosigkeit vor allem des ersten Satzes mit dem Deutschen Symphonie-Orchester in solcher Präzision dargestellt, dass die musikalischen Charaktere wie mechanische Spielzeuge vorbeimarschierten. Auch für die Musik seines estnischen Landsmanns Erkki-Sven Tüür, dessen Stück "Zeitraum" zu Beginn am Sonnabend erklang, entwickelte Järvi einen kongenialen Ansatz: Alles wird rhythmisch scharf herausgemeißelt, Klangfarben liegen offen und rau zutage wie Bruchflächen. Der Titel "Zeitraum" (1992) suggeriert bereits, dass hier Musik auf ihre Fähigkeit befragt wird, einen phänomenalen Raum zu öffnen, zu weiten oder zu verengen: eine Dramaturgie voller Kontraste zwischen leise sich verknotenden Kanons der tiefen Streicher, grell-dissonanten Bläserakkorden und minimalistischen Moll-Aktionen. Wenn der klangfarblich vielfältig modulierte Endton wieder in den Ausgangston zurückzukehren scheint, entsteht der Eindruck, man sei um eine Skulptur herumgegangen und nun wieder am Ausgangspunkt angelangt.

Auch beim Schlussstück, Béla Bartóks Konzert für Orchester, machte Järvi eine bemerkenswerte Figur: Meist gelassen und mit seiner sparsamen Taktgebung fast technokratisch wirkend, kann er fließend zu einer suggestiv-modellierenden Zeichengebung übergehen. Wie er im zweiten Satz, dem "Giuoco delle coppie", im fliegenden Wechsel die paarweise fürbass schreitenden Bläser organisierte und andererseits die mutwilligen Einwürfe der Streicher animierte, das war eine kaum zu übertreffende Leistung dirigentischer Polyphonie.

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